Davis Cup Schweiz - Tschechien

zurück zur Hauptseite         Last updated: 23.11.2014

Davis Cup 2008 - Europa/Afrika-Zone I 1. Runde - Schweiz-Polen

Davis Cup 2012 - Weltgruppe 1. Runde - Schweiz-USA

2. Februar 2013

1. Runde der Weltgruppe im Davis Cup vom 1.-3. Februar 2013 in Genf (SUI)

Gegen den amtierenden Davis Cup-Sieger Tschechien hätte es für die Schweiz ein Tennisfest werden können wie im letzten Jahr gegen die Rekordsieger aus den USA. Eine Revanche stand auch noch aus, da die Tschechen mit Berdych und Stepanek im Jahr 2007 in Prag in den Weltgruppen-Play Offs die Schweiz mit Federer, Wawrinka und Allegro zum ersten Mal seit 1994 in die Kontinentalzone absteigen liessen. Da Herr Federer aber besseres zu tun hatte, waren die Schweizer in der Weltgruppe wie so oft nur Aussenseiter. Ein Besuch in Genf rückte erst kurzfristig auf meine Agenda als Stepanek verletzungsbedingt für Tschechien absagte. Denn gegen Stepanek/Berdych wären die Schweizer im Doppel chancenlos geblieben. Nach dem 1:1 am Freitag entschloss ich mich am Samstag für das Doppel und allenfalls auch für die Einzelspiele am Sonntag nach Genf zu fahren. Da hatte ich einen guten Riecher, denn die Partie trug sich in einige Rubriken der Tennisgeschichtsbücher ein.

 

Wenn nicht mit Federer wie soll die Schweiz dann den Davis Cup gewinnen? Seit dem Jahr 1900 sind wir in der aktuell 102. Austragung und die Schweiz hat lediglich eine Finalteilnahme im Jahr 1992 dank Hlasek und Rosset vorzuweisen. Da die erste Runde in der Weltgruppe seit 2004 nicht mehr überstanden wurde und sogar zweimal ein kurzer Abstecher in die Kontinentalzone nötig wurde, gehört die Schweiz wegen der schlechteren Position im Davis Cup-Ranking seit 2006 nicht mehr zu den acht gesetzten Teams und trifft dadurch in der ersten Runde immer und immer wieder auf einen harten Brocken.

  • Wawrinka rückte mit dem grossartigen Spiel in der vierten Runde der Australian Open gegen den Titelverteidiger und Weltranglistenersten Djokovic ins Rampenlicht, welches er erst nach 5h 2min und 10:12 im fünften Satz verlor. Ausserdem siegte er zu Beginn des Jahres etwas überraschend in der Doppelkonkurrenz in Chennai. Für mich war es etwas verwunderlich dass vom Heimteam kein Sandbelag gewählt wurde. Wobei ein langsamer Hartplatz ähnliche Vorzüge hat und die Saisonplanung der Spieler dadurch nicht durch Belagwechsel gestört wird.
  • Der Formstand der aus den Top 100 gefallen Schweizer Nummer 2 Chiudinelli war etwas ungewiss.
  • Mit dem 20-jährigen Laaksonen und dem 21-jährgen Sandro Ehrat (in Genf mit dabei, aber nicht nominiert) hat das Team zwei junge Spieler in das Umfeld integriert.

 

Schweiz:
Stanislas Wawrinka
Marco Chiudinelli
Henri Laaksonen
Michael Lammer
Einzel
17
139
289
357
Doppel
137
1040
720
933

 

Tschechien hat gezeigt dass der Gewinn des Davis Cups mit einem starken Zweierteam möglich ist. Berdych/Stepanek vervollständigten im letzten Jahr damit den grossen Triumph Tschechiens, das als erste Nation in einem Jahr den Hopman Cup, den Fed Cup und den prestigeträchtigen Davis Cup gewann. Es war der zweite Davis Cup-Titel nach dem Erfolg der Tschechoslowakei im Jahr 1980 und der erste seit der Teilung des Landes.

  • Mit Teamleader Berdych geht der Titelverteidiger als Favorit in diese Partie auf Hartplatz.
  • Rosol ist seit dem Sieg über Nadal in Wimbledon im letzten Jahr in einer einzelnen Partie alles zuzutrauen.
  • Mit Vesely haben die Tschechen einen 19-jährigen mit dabei, der im Jahr 2011 die Juniorenkonkurrenz der Australian Open gewonnen und die Juniorenweltrangliste angeführt hat.

 

Tschechien:
Tomas Berdych
Lukas Rosol
Ivo Minar
Jiri Vesely
Einzel
6
73
192
272
Doppel
109
221
878
380
Davis Cup Schweiz - Tschechien
 Spieltag  Spielstand  Spiel 1  Spiel 2
 Freitag
 .
 1:1
 .
 Wawrinka - Rosol
 6:4 6:3 6:4
 Laaksonen - Berdych
 3:6 2:6 7:6 1:6
 Samstag
 .
 1:2
 .
 Wawrinka/Chiudinelli - Berdych/Rosol
 4:6 7:5 4:6 7:6 22:24
 
 Sonntag
 .
 2:3
 .
 Wawrinka - Berdych
 
3:6 4:6 6:3 6:7
 Laaksonen - Vesely
 0:6 6:3 6:1

Tomas Berdych, Lukas RosolMichael LammerSandro Ehrat
Palexpo Halle 7, Genf
Soweit ich mich erinnern kann, war ich in meinem Leben erst einmal zuvor in Genf. Und zwar beim Umsteigen auf dem Hauptbahnhof auf den TGV, als es in der Berufsschule in den Sprachaufenthalt nach Montpellier ging. Deshalb wollte ich mir nach dem Doppel unbedingt zumindest den Jet d'Eau ansehen gehen. Das praktische an der Palexo als Austragungsort ist, dass die Zuschauerkapazität angepasst werden kann.
Aus dem Programmheft (Bild 3) erfuhr ich dass der Gegner der allerersten Davis Cup-Partie der Schweiz im Jahr 1923 Tschechoslowakei hiess und man gleich bei der ersten Teilnahme bis ins Halbfinale vorstiess.
Der tschechische Coach Jaroslav Navratil (Bild 5, rote Trainerjacke) war der Erfolgreichste des tschechischen Betreuerteams beim Wettbewerb wer den Ball am nächsten an die Grundlinie rollen kann.
Stuhlschiedsrichter James Keothavong (Bild 8, links) plauderte vor seinem langen Einsatz angeregt mit seinem Kollegen Gianluca Moscarella (Mitte) und Oberschiedsrichter
Stefan Fransson (rechts).


Schweiz - Tschechien
Bild 3 zeigt die Gedankenwelt eines britischen Nadal-Fans. Es war Michaels Antwort auf mein Sms über Lukas Rosol. Zur Aufklärung: Die einzige Niederlage in Wimbledon seit 2006 die Nadal nicht gegen Federer oder Djokovic bezog, die kassierte er 2012 gegen Rosol und hat seither aufgrund von Knieproblemen keine Partie mehr bestritten. Die einzige Niederlage überhaupt in Roland Garros in acht Teilnahmen fügte ihm Söderling 2009 zu und danach musste er die Rasensaison mit dem Turnier in Wimbledon aufgrund von Knieproblemen absagen.

Stanislas Wawrinka, Marco Chiudinelli
1:2   Stanislas Wawrinka/Marco Chiudinelli (ATP Doppel 137/1040) - Tomas Berdych/Lukas Rosol (ATP Doppel 109/221)
Dank dem Davis Cup-Triumph im letzten Jahr waren die Tschechen auch in Genf fantechnisch gut vertreten. Zwanzig lautstarke Männer ausgerüstet mit einer Trommel, Tröten und Flaggen bestimmten die Stimmung in der Halle mit. Der grosse Fanclub des Schweizerischen Davis Cup-Team ist ja gemeinhin gesagt ein Frauen-Fanclub, der auch vollen Einsatz zeigte. Ich persönlich benötige eine Eingewöhnungszeit und kann nicht schon beim ersten Punkt der Partie und allen gegnerischen Fehlern mit Jubeln beginnen. Aber die Partie dauerte ja genügend lange um aufzutauen.
In den ersten drei Sätzen wurde Wawrinka immer je einmal gebreakt. Im zweiten Satz gelang den Schweizern ein Break gegen Rosol, der nach seinen Aufschlägen nicht ans Netz vorrückte und ein Break gegen Berdych. Nach dem 1:2 im dritten Satz liess das nächste Break sehr lange auf sich warten, denn es folgten 64 Aufschlaggewinne in Folge. Den vierten Satz holten sich die Schweizer im Tie-Break. Seit Beginn des Matches waren die aggressiv gespielten Returns von Wawrinka in alle Himmelsrichtungen geflogen, was das Publikum vor allem bei Breakbällen in grosses Raunen versetzte. Beim Satzball im Tie-Break des vierten Satzes aber spielte Wawrinka einen kontrollierten Return und war damit erfolgreich. Ab diesem Zeitpunkt funktionierten seine etwas defensiveren Returns. Das Break im fünften Satz blieb aber aus uns somit kann man sich darüber streiten, ob die aggressiven oder die defensiven Returns die bessere Variante gewesen waren.
Während sieben Stunden funktionierten die selben Spielzüge. Das war eine faszinierende Erkenntnis. Wawrinka war immer wieder mit seinem Rückhandvolley kurz cross erfolgreich. Auch da die Tschechen beim Service von Chiudinelli vermehrt beide hinten an der Grundlinie blieben. Diesen kurzen Rückhandvolley cross spielt Wawrinka exzellent. Allerdings ist die Perfektion dieses Spezialschlags auch nötig, da er bei den normalen Varianten des Rückhandvolleys nicht überzeugt.
Nur fünf schlechte Minuten, ja gar nur zwei schlechte Minuten und die Partie ist vorbei! Unter diesen Voraussetzungen ist die Überzeit im fünften Satz kaum fassbar. Berdych beeindruckte mich mit unglaublichen Aufschlägen, wenn er vom Spielstand her unter Druck stand. Aber auch alle anderen Aufschläger waren in der Lage den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Die Schweizer kamen je länger das Spiel dauerte bei Aufschlag der Tschechen aber nicht mehr in die Nähe vor Breakbällen und standen ihrerseits so nahe an der Niederlage, dass die Abwehr von zwölf Matchbällen schlichtweg als mirakulös bezeichnet werden muss. Der dreizehnte Matchball endete dann ein Doppelfehler Chiudinellis, der nach sieben Stunden und einer Minute seinen ersten Aufschlagverlust in der gesamten Partie hinnehmen musste!

Lukas RosolLukas Rosol
Neue Rekorde beim 24:22 im fünften Satz nach 7 Stunden und 1 Minute
Da steckt Rolex Millionenbeträge in das Sponsoring, um als offizieller Zeitnehmer aufzutreten. Obwohl im Tennis die Zeitnehmung ausser zur Einhaltung der Pausenregelung gar keine Relevanz hat. Wir sind ja nicht bei einem Skirennen oder in der Leichtathletik. Auf der Uhr jedenfalls vor der die Spieler posieren steht 7:01 und in den Medien werden 7:02 herumgereicht. Was für eine Blamage. Ich warte jetzt erst einmal den offiziellen Eintrag auf der Davis Cup-Homepage ab.
Da ich die Tickets erst an der Tageskasse erstand, profitierte ich von einer Aktion zum halben Preis. Dafür dauerte das Spiel erst noch doppelt so lang... Bei einem Sieg der Schweiz und der damit verbundenen 2:1-Führung nach dem Doppel würde ich bis Sonntag bleiben. Bei einer Niederlage im Doppel fahre ich wieder nach Hause, um am Sonntag wie geplant an einem Familienessen teilzunehmen. So sah mein Plan aus. Erst nach neun Uhr abends war der weitere Verlauf meines Wochenendes klar und ich trat die Heimreise an. Um Viertel vor Eins in der Nacht kam ich zu Hause an. Dass sich dabei die Gelegenheit zum Genf-Sight Seeing nicht mehr bot ist einleuchtend. Der Jet d'Eau blieb für mich also ungesehen. An dieser Stelle darf ich noch vor den unzähligen Blitzkästen im Kanton Waadt auf der Autobahn zwischen Genf und Lausanne warnen, die ich erfolgreich umging.
Die neuen Davis-Cup Rekorde:
7 Stunden 1 Minute: Das längste bekannte Davis Cup-Match (Doppel oder Einzel) und das zweitlängste Match der Tennisgeschichte nach Isner-Mahut und somit auch das längste bekannte an einem Tag gespielte Match der Tennisgeschichte.
91 Games: Die meisten Games in einem Davis Cup-Match (Doppel oder Einzel) seit Einführung des Tie-Breaks in den ersten vier Sätzen.
46 Games: Die meisten Games in einem Davis Cup-Satz (Doppel oder Einzel) in der Weltgruppe und die meisten Games in einem fünften Satz eines Davis Cup-Matches aller Zeiten.
Den Rekord des längsten Davis Cup-Matches im Einzel halten übrigens John McEnroe und Mats Wilander mit 6h 20min im fünften und entscheidenden Match der Viertelfinalbegegnung zwischen den USA und Schweden aus dem Jahr 1982.

Nachtrag November 2013: Titelverteidigungen im Davis Cup sind seit dem Ende der 1980er-Jahre zur Seltenheit geworden. Nur Schweden 1997/1998, Spanien 2008/2009 und nun der Tschechischen Republik 2012/2013 gelang dieses Kunststück.

 

zurück zur Hauptseite