Wimbledon 2010, London |
zurück zur Übersicht Last updated: 30.01.2023 |
alle Berichte aus der Rabble-Tennisdatenbank zu: John Isner, Nicolas Mahut, Thiemo De Bakker |
Längstes Tennismatch der Welt - John Isner-Nicolas Mahut |
Was ermöglichte das längste Tennismatch der Welt?
Der Rasenbelag: Er ist schnell und bevorteilt dadurch den Aufschläger. Durch das heisse Wetter war diese Eigenschaft noch etwas ausgeprägter. Ausserdem finden auf Rasen meist kurze Ballwechsel statt. Das schont die Physis und Ausdauer der Spieler. Bei länger andauernden Ballwechseln wie auf Sandbelag typisch wäre einer der Spieler schon längstens von Krämpfen geplagt worden.
Court 18: Zwar versuchte jedermann seinen Kopf irgendwie auf Court 18 auszustrecken (siehe Schatten auf Bild 2), dennoch blieb es auf dem unter diesen Verhältnissen zirka 1'500 Zuschauer fassenden Platz eine relativ übersichtliche Angelegenheit. Unter der aufbrausenden Stimmung des 15'000 Zuschauer fassenden Centre Courts wäre die Entscheidung früher gefallen. Die Spieler wären viel nervöser geworden.
Mehrere Tage: Nur in Wimbledon und in Roland Garros werden Spiele am Abend wegen Dunkelheit unterbrochen, da ohne Flutlicht gespielt wird. So trugen Isner und Mahut am Dienstag die ersten vier Sätze aus. Am Mittwoch folgte der fünfte Satz bis 59:59. Am Donnerstag dann der Rest. Immer wieder ein klein wenig Entspannung, um sich neu zu fokussieren.
Die Regeln: An den US Open würde im auch im fünften Satz bei 6:6 ein Tie-Break gespielt. Best of Five-Matches mit ausgespieltem Entscheidungssatz gibt es nur an den Australian Open, den French Open, in Wimbledon und im Davis Cup.
Die Spieler: Starke Aufschläger. Gute zweite Bälle, um
nach dem Aufschlag den Punkt abzuschliessen. Gute Volleyspieler. Aber
irgendwie lässt mich der Gedanke nicht los, dass ihre Returnqualitäten nicht
gut genug sind. Ansonsten wäre es trotz allem nie soweit gekommen.
John Isner ist 206cm gross und auf Weltranglistenposition 19 klassiert.
Bereits vor Wimbledon führte er die Aufschlagstatistik des Jahres 2010 mit
559 Assen in 36 Matches an. Vor Karlovic (472 Asse in 25 Matches) und
Roddick (434 Asse in 36 Matches). Ausserdem belegte er mit 88% gewonnener
Aufschlagspiele den vierten Rang in dieser Statistik des laufenden Jahres.
Isners Match gegen Roddick an den
US Open 2009 ging nur
nicht in die Verlängerung, weil dort im Entscheidungssatz ein Tie-Break
gespielt wird.
Nicolas Mahut ist in diesen Statistiken nicht zu finden, da er in diesem
Jahr als 149. der Weltrangliste in Wimbledon erst sein viertes Turnier auf
ATP-Niveau bestritt. In der Qualifikation, die auf zwei Gewinnsätze gespielt
wird, hatte Mahut aber bereits ein 24:22 im Entscheidungssatz gegen
Bogdanovic hingelegt. Im Jahr 2000 hatte der 190cm grosse Franzose das
Juniorenturnier von Wimbledon gewonnen.
Herren Einzel | ||
1. Runde | 2. Runde | 3. Runde |
Thiemo
De Bakker - Santiago Giraldo 6:7 6:4 6:3 5:7 16:14 |
Thiemo
De Bakker - John Isner (23) 6:0 6:3 6:2 |
Paul-Henri
Mathieu - Thiemo De Bakker 7:6 7:6 6:7 6:4 |
John
Isner (23)
- Nicolas Mahut (Q) 6:4 3:6 6:7 7:6 70:68 |
John Isner - Nicolas Mahut
Bei 25:24 suchte auch ich mir einen Stehplatz hoch
über Court 18. Nach zwanzig Minuten versteckt hinter vielen Köpfen konnte ich in die erste Reihe
mit guter Sicht vorrücken. Bei 47:47 musste ich leider wieder los. Während Mahut so fit
aussah wie zu Spielbeginn, machte Isner schon bei 25:24 einen ausgelaugten
Eindruck. Bemerkenswert: Keiner der Spieler nahm während dieser Zeit eine
Verletzungspause.
Etwas kurios ist, dass Mahut im fünften Satz 365 Punkte gewann, Isner nur 346.
Trotzdem brachte es der 28-jährige Franzose nur auf zwei Breakbälle (bei 50:50).
Isner hingegen hatte deren 5 (einen bei 16:15, zwei bei 33:32, einen bei 59:58
und einen bei 69:68). Noch kurioser ist, dass es Mahut war, der bei 59:59 einen
Unterbruch der Partie aufgrund der Dämmerung forderte und erhielt. Er war
derjenige gewesen, der einen frischen Eindruck gemacht hatte. Isner hingegen war
beinahe stehend K.O., hätte aber gerne noch weitergespielt.
An den beiden Spielern und an diesem Match kommt man beim Rückblick auf Wimbledon
2010 nicht vorbei. Sinnbildlich hatte ich dass Gefühl, dass Mahut und Isner
überall zugegen waren: Mahut (Bild 18) am Donnerstagmorgen vor der
Wiederaufnahme bei 59:59 gut gelaunt und fit. Isner (Bild 19) am Samstagmorgen
nach seinem Ausscheiden in den Strassen Wimbledons.
Die Rekordbücher müssen wie folgt angepasst werden:
- Längstes Match: 11 Stunden, 5 Minuten (alt: Santoro-Clement 6h
33min, Roland Garros 2004)
- Längster Satz: 8 Stunden, 11 Minuten (alt: Roddick-El Aynaoui 2h
13min, Australian Open 2003)
- Meiste Games in einem Match: 183 Games (alt: Gonzalez-Passarell
122 Games, Wimbledon 1969, damals wurde in allen fünf Sätzen ohne Tie-Break
gespielt)
- Meiste Asse eines Spieler in einem Match: Isner 112 Asse, Mahut 103 Asse
(alt: Karlovic 78 Asse, Davis Cup 2009 gegen Stepanek)
- Meiste aufeinanderfolgende Games ohne Break: 168 Games (alt: ?)
Für mich persönlich heisst das, dass ich nie mehr wegen eines überlangen Spiels
auf einen Platz eilen muss, um Geschichte mitzuerleben beziehungsweise diese ja
nicht zu verpassen. Denn dieser Rekord wird wohl nie mehr fallen. Die Aussage,
dass sich gerade zwei Spieler im Entscheidungssatz zum Beispiel bei 9:9
befinden, wird kein grosses Aha-Erlebnis mehr auslösen... Allerdings bleiben
meine beiden bisherigen Rekordhalter in guter Erinnerung:
Roddick-Tursunov und
Melo/Sa-Hanley/Ullyett.
Thiemo De Bakker - John Isner
Isners Gegner De Bakker hatte
in der ersten Runde erst mit 16:14 im Entscheidungssatz gewonnen. Seine am
Dienstag begonnene Partie endete aber am Mittwoch nach der vergleichsweise
kleinen Zusatzschlaufe. Isner hingegen hatte sein Match erst am Donnerstag beendet.
Am Freitag trafen De Bakker und Isner aufeinander.
Mit einer Serie von
85 erfolgreichen Aufschlagspielen in Folge startete
Isner in das Match gegen den 21-jährigen Niederländer. Isner entschied sich für
Aufschlag und wurde prompt gebreakt! Nicht genug: Isner verlor seine ersten vier
Aufschlagspiele und lag schnell mit 0:6 0:2 zurück, bevor er das erste Mal
seinen Service halten konnte. Wann hatte der 25-jährige US-Amerikaner wohl zum
letzten Mal vier Breaks in Folge kassiert?... Ende des ersten Satzes hatte er
sich am Rücken behandeln und massieren lassen. Danach bewegte er sich etwas
besser.
Herren Doppel | ||
1. Runde | 2. Runde | 3. Runde |
Ratiwatana/Ratiwatana (L) - Kowalczyk/Bednarek (L) 6:1 6:4 7:6 |
Ratiwatana/Ratiwatana (L) - De Bakker/Haase 6:4 7:6 4:6 6:2 |
Chela/Schwank (L) - Ratiwatana/Ratiwatana (L) 6:3 6:2 7:6 |
De
Bakker/Haase - Kas/Troicki 6:7 6:4 7:6 6:3 |
Sonchat Ratiwatana/Sanchai
Ratiwatana - Thiemo De Bakker/Robin Haase
Da war Feuer in der Partie. Ich war erstaunt über das
Temperament der Ratiwatana-Zwillinge, da die asiatische Mentalität ja eher
zurückhaltend ist. Doch die Thailänder fühlten sich vielleicht auch durch Haase
angestachelt. Der Niederländer wirkte mit einigen Gesten zeitweise abschätzig
und es sah so aus, als wollte er seine Gegner hochnehmen. Die Niederländer
schossen voll auf den Mann, wenn die Ratiwatanas am Netz standen. Dort vorne zu
sein war das Ziel der Thailänder. Dank einer schnellen Reaktionsfähigkeit
konnten die Lucky Looser am Netz vorne bestehen. Die eigentlich exzellenten
Aufschläger De Bakker und Haase gewannen nur selten einfache Punkte direkt mit
ihrem Aufschlag.