XXX Olympische Spiele 2012, London |
zurück zur Übersicht Last updated: 30.01.2023 |
Hockey | Herren | Gold: Deutschland | Silber: Niederlande | Bronze: Australien |
Mit dem Bronzemedaillenmatch im Herren Hockey hatten wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens spielten die Briten mit, was eine enthusiastische Stimmung garantierte. Zweitens hatten wir Zugang zum Olympic Park und konnten dort den Rest des Nachmittags und Abends verbringen. |
FACT SHEET |
London Overground
Sprechen wir einmal etwas vom richtigen Leben. Sport
und Olympische Spiele sind zwar beides grossartige Dinge, aber eine Fahrt am
Samstagmittag mit
der London Overground vom West Brompton (vom
Volleyball in Earls Court)
nach Stratford (zum Hockey in den Olympic Park) hat es auch in sich. Da sass
erst der Mann mit Bauarbeiterstatur und Tattoos in seinen Dreissigern genau
gegenüber von mir. Er ass sein Sandwich, zerknüllte danach das Papier und schob
es langsam hinter sich und den Sitz. Ich wollte ihm "I'm sure you're taking your waste with
you" sagen, habe es aber warum auch immer nicht getan. Dann war da die blonde
Dame mit Sonnenbrille und den gemachten Brüsten, die gegen die vierzig zuging
und einem kleinen Jungen den Sitzplatz wegschnappte, als dieser kurz zu seiner
Mutter und seinen Geschwistern auf die andere Seite lief. Er blieb dann halt
fortan auf
Mutters Schoss sitzen. Zwei andere Mütter mit ihren Kindern sassen links von mir.
Sie waren dunkelhäutig und mich faszinierte bereits die Kinderdecke mit einer
Savannenlandschaft mit Zebras und Giraffen darauf, die über das Mädchen im Buggy
gelegt war. Danach spielten sie zusammen das
Spiel, welches Tier sie gerne sein würden. Das Mädchen wollte ein Affe sein und
der Junge wollte ein Löwe oder ein Puma sein. Gemeinhin schwebt mir als
Kindererziehung vor, dass man ein Bilderbuch über einen Bauernhof hat und
danach Tierlaute wie Kuh, Ziege, Pferd und Schwein nachmacht. Aber auch im
"Dschungel" von London versucht man die Kultur seiner Herkunft zu bewahren und ich finde
nichts falsches daran, dies für sich selbst zu tun. Als Aussenstehender ist es
mir dafür erlaubt, gewisse Unterschiede oder Klischees ohne Wertung
festzustellen und nicht so zu tun, als gäbe es keine.
Und dann war da noch dieses aufgeweckte Mädchen indischer Abstammung mit Brille zwei Plätze
rechts von mir und ihr Vater gleich neben mir. Im Alter schätzen bin ich kein
Experte, aber sie ging wohl auf das Kindergartenalter zu. Sie hatte diesen
reinen, singenden, englischen Akzent und ihr Vater noch den typischen indischen
Akzent. Es fasziniert mich wie schnell und unkompliziert Integration
funktionieren kann, obwohl das Thema doch immer mit Problemen angehaftet
scheint. Ihr Vater wird einerseits sehr stolz auf sie sein und andererseits geht
irgendwo doch ein Stück von ihm verloren. Das Mädchen wollte alles wissen und
ihr Vater beantwortete ihr fast alle Fragen recht geduldig. Ich habe mir in
diesem Moment vorgenommen, dass ich an seiner Stelle versuchen würde, alle
Fragen sehr geduldig zu beantworten. Aber sie hatte natürlich auch lustige
Fragen auf Lager. "Daddy" fragte sie immer. Wie spät es sei wollte sie wissen.
Es war sechs vor eins. Eins vor sechs fragte sie zurück? Nein, sechs vor eins.
Sie fragte, ob sie auch so eine Uhr wie er haben darf, worauf er antwortete "but
you just lost your watch, didn't you?". "Yes, but I'd like to have a watch with
this button and these numbers." Kurz darauf wollte sie nochmals die Zeit ablesen
und ihr Vater sagte ihr dann, dass es drei vor eins sei. Völlig wirrt fragte sie
"aber vorher war es doch noch sechs vor eins?" und realisierte nicht, warum er
ihr jetzt eine andere Angabe machte.
Um doch noch zum Thema Sport
zurückzukehren: Die Inder übrigens beendeten das Olympische
Hockeyturnier mit sechs Niederlagen aus sechs Spielen auf dem zwölften und
letzten Platz. Von 1928 bis 1956 waren sie sechsmal in Folge Seriensieger
gewesen. Auch 1964 in Tokio und 1980 in Moskau gewannen sie Gold, wobei der
Erfolg von vor 32 Jahren in der damals sowjetischen Hauptstadt die bislang
letzte Medaille Indiens war.
Olympic Park
Das Herz der Olympischen Spiele im Londoner
Stadtbezirk Newham.
Riverbank Arena
Vor dem Stadion boten holländische Fans ihre
Tickets für das Bronzemedaillenmatch zum Tausch an, um von einem Briten ein
Finalticket zu erhalten und dort die Oranjes sehen zu können. Mit den fanstarken
Niederländern, Deutschen, Australiern und Briten in den jeweiligen
Medaillenmatches müsste die Tauschbörse hier eigentlich recht gut funktioniert
haben. Bei den Damen und den Herren waren jeweils zwölf Teams mit dabei.
Kombiniert waren es aber nur fünfzehn unterschiedliche Nationen. Das zeigt, dass
eine (oder zwei) handvoll Nationen das Welthockey bestimmen. Bei den Damen
verteidigten übrigens die
Niederländerinnen ihren Titel.
1. Halbzeit: Australien -
Grossbritannien 1:1
Die beiden Tore in der ersten Halbzeit fielen nach
Strafecken. Vor deren Ausführung ziehen sich die
Verteidiger jeweils eine Gesichtsmaske an. Die Australier legten zum 1:0 vor
(Bilder 1-2) und die Briten (Bilder 3-5) glichen aus. Zum Ende der Olympischen
Spiele scheint jedermann auf der Insel eine Team GB-Flagge oder einen Union
Jack zu besitzen (Bild 5).
Australien - Grossbritannien 3:1
Das Feld wird stark gewässert und es scheint sich
ein halber See darunter zu befinden. Wenn die Spieler einen langen Ball
schlagen, dann spritzt nach Auftreffen des Stocks auf dem Feld eine
Wasserfontäne in die Luft. Ein Spiel dauert zwei Halbzeiten à 35 Minuten. Ein
Videobeweis ist möglich und die Australier lagen bei allen ihren drei Anfragen
richtig. Bei den Feldspielern ist jede Berührung des Balles ausser mit dem Stock
ein Fehler. Es lässt sich nur eine Seite des Stocks richtig spielen. Deshalb
laufen die Spieler auch häufig kleine Kurven, um ihren Körper in die richtige
Position zu bringen. Wie im letzten Jahr bei der
Floorball-WM habe ich auch bei
dieser Sportart das Gefühl, dass sie erst richtig gefährlich und
verletzungsanfällig wird, wenn man das Spiel nicht absolut beherrscht. So ein
Stock zwischen den Beinen oder im Gesicht bereitet einem wahrlich keine Freude.
Jubelszenen
Seit zehn Jahren gehen die Olympischen
Goldmedaillen und Weltmeistertitel entweder an Deutschland oder Australien. Da
die gruppenersten Australier im Halbfinale an den gruppenzweiten Deutschen
scheiterten, blieb für sie nur noch die Bronzemedaille übrig. Aber auch diese
muss zuerst gewonnen werden und vor vielen Fans eigenen macht ein Sieg natürlich
immer Spass.
Olympic Park - Park Live - Mo Farrah
Nach dem Ende des Hockeymatchs blieben wir noch im
Olympic Park und sahen uns vor dem Grossbildschirm an wie Mohammed Farrah über
5000 Meter sein zweites Gold gewann. Bei der anschliessenden britischen
Nationalhymne sang ich leise mit. Ich weiss nicht, ob es Michael neben mir auch
getan hätte, wenn ich nicht vorgelegt hätte. Leise mitgesungen hatte ich auch
bei der amerikanischen Nationalhymne im
Fussball. Und das hätte ich
auch bei der chinesischen Nationalhymne beim
Tischtennis getan, wenn ich
den Text und die Melodie gekannt hätte. Das hat bei mir mit Respekt für die
Leistung des Olympiasiegers zu tun und dem Stolz, den jeder auf seine Heimat
haben soll und darf. Nationalhymnen haben so etwas ehrenvolles an sich.
Olympic Park - Park Live - Tom Daley
Michael wollte sich unbedingt diesen Tom Daley
anschauen vom 10 Meter Turm. Wenn es um Wasserspringen geht, dann steht bei mir
eher Tania Cagnotto hoch im Kurs. Aber nun gut. Der 18-jährige Daley ist seit
seinem Weltmeistertitel, den er sich 2009 als 15-jähriger in Rom geholt hatte,
ein absoluter Liebling der Briten. Er gewann Bronze hinter dem grossen Favoriten
Bo Qiu aus China auf dem Silberplatz und dem
überraschenden Olympiasieger David Boudia aus den
USA.
Olympic Park - Usain Bolt &
Mo Farah
Dieser Samstagabend als vorletzter Tag von London
2012 war wirklich ein schöner Tag. Wenn ich in meinem mir selbst auferlegten
gedrängten Terminplan etwas Zeit zum Geniessen habe, dann brennen sich diese
Momente bei mir wie kleine Oasen der Erholung ins Gedächtnis ein. Das Verlassen
des Olympic Parks war ein wirklich spezielles Gefühl. Und die spontane
Darbietung der Polizisten (Bilder 7 und 8) drückte die Freude und Begeisterung
aller über diese zwei Wochen aus.
Herren
Gold Medal Match:
Deutschland - Niederlande
2:1
Bronze Medal Match: Australien - Grossbritannien 3:1