Fed Cup Schweiz - Deutschland |
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1. Runde der Weltgruppe II im Fed Cup 2009 vom 7./8. Februar 2009 in Zürich (SUI)
Zwischen den
Nachbarländern kündigt sich ein ausgeglichenes Kräftemessen an. Beide
Teams in Bestbesetzung antretend sind die Gastgeberinnen um Patty
Schnyder wohl leicht zu favorisieren. Allerdings würde ein
entscheidendes Doppel zum Abschluss sicherlich nicht mehr zum
Spaziergang verkommen wie im letzten Jahr gegen die Österreicherinnen.
Die erfahrende Doppelspielerin Gagliardi ist nicht mehr dabei und müsste
durch die junge Bacsinszky oder Vögele ersetzt werden. Ausserdem steht
sich das derzeit erfolgreiche schweizerisch-deutsche Doppel
Schnyder/Grönefeld auf je einer Seite des Netzes gegenüber. Aus Sicht
des deutschen Teams hätte ich eine Doppelspezialistin wie Jasmin Wöhr
mitgenommen, um diese an Grönefelds Seite zu stellen. Vier
Einzelspielerinnen braucht es ohnehin nicht. |
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Schweiz: Patty Schnyder Timea Bacsinszky Stefanie Vögele Nicole Riner |
Einzel 16 60 124 405 |
Doppel 42 215 134 692 |
|
Deutschland: Sabine Lisicki Anna-Lena Grönefeld Kristina Barrois Tatjana Malek |
Einzel 62 64 92 188 |
Doppel 142 35 192 280 |
Fed Cup Schweiz - Deutschland | ||||
Spieltag | Spielstand | Spiel 1 | Spiel 2 | Spiel 3 |
Samstag . |
1:1 . |
Schnyder
- Grönefeld 7:6 6:3 |
Bacsinszky
- Lisicki 0:6 4:6 |
|
Sonntag . |
2:3 . |
Schnyder
- Lisicki 6:7 7:5 6:1 |
Bacsinszky
- Grönefeld 3:6 1:6 |
Schnyder/Vögele
- Grönefeld/Malek 4:6 3:6 |
1:0
Patty Schnyder - Anna-Lena Grönefeld
Jubiläum: Patty Schnyder bestreitet ihre 30. Fed
Cup-Begegnung! Das hat sie unter anderem auch der Europa/Afrika-Zone I
"zu verdanken", wo aufgrund des unterschiedlichen Modus mehr Länderkämpfe
ausgetragen werden, die dafür nur drei anstatt fünf Partien umfassen. Dennoch ein
dickes Kompliment an die Adresse der 30-jährigen Baslerin. "Dank" der
Europa/Afrika-Zone I reitet die Schweizer Damenmannschaft im Moment auf einer
Siegeswelle von sieben gewonnen Länderwettkämpfen in Serie.
Gegen Grönefeld gelang Schnyder das Auftaktbreak, dass sie allerdings umgehend wieder
einbüsste. Danach waren Breaks Mangelware und die Deutsche konnte jeweils
vorlegen. Die Nordhornerin punktete wie erwartet mit einem starken Aufschlag und
harten Grundlinienschlägen. Sie überzeugte aber vor allem mit einer tiefen
Fehlerquote. Das bereitete Schnyder einige Probleme, da sie gerne längere
Ballwechsel gespielt hätte. Diesen Wunsch zerstörte Grönefeld mit ihrem
Powertennis allerdings.
Der Knackpunkt war der Tie-Break im ersten Satz, als die vermeintliche
Aussenseiterin Grönefeld dem Druck, gewinnen zu können, nicht gewachsen war.
Gleich mit 7:0 gewann die erfahrene und abgeklärte Schnyder die
Kurzentscheidung. Gleich zu Beginn des zweiten Satzes konnte die Schweizerin
dank einem Break auf 3:0 vorlegen und verwaltete diesen Vorsprung anschliessend
souverän.
1:1
Timea Bacsinszky - Sabine Lisicki
Die Schweizerin möchte lange Ballwechsel spielen.
Die Deutsche serviert stark und drescht so hart wie möglich auf die Bälle. Auch
im zweiten Match galten diese taktischen Vorraussetzungen. Nur spielte Lisicki
beeindruckender als Grönefeld zuvor. Zehn Asse gelangen der Berlinerin. Ihre
präzis-harten Grundschläge waren nicht zu erreichen. Jedenfalls nicht für eine
Bacsinszky, die gerade ihren ersten Ernstkampf des Jahres bestritt. Wie
Grönefeld im ersten Match baute im zweiten Satz wiederum die Spielerin der Gäste
ab. Doch da stand es bereits 6:0 2:0 für Lisicki. Dank ihrem starken Aufschlag
hielt sie das Break in der nun ausgeglicheneren Partie bis zum Ende. Lisicki
gewann 29 von 32 Punkten, wenn ihr erster Aufschlag im Feld war. Bacsinszky
steigerte sich an der Gegnerin und servierte im zweiten Satz ebenfalls
konzentriert und stark.
Die Lausannerin hatte zuletzt unter einer Knieverletzung gelitten. Aber ehrlich
gesagt sieht ihr rechter Knöchel
(Bild 2) auch nicht gerade gesund aus. Der ist wohl auch schon einige Male in
Mitleidenschaft gezogen worden.
Aufstellung
Patty Schnyder war für Einzel und Doppel gesetzt.
Timea Bacsinszky zeigte am Samstag keine so schlechte Leistung, dass man sie
für das Einzel am Sonntag hätte austauschen müssen. An beiden Tagen waren
wir früh im Stadion und konnten das Training beobachten und Schlüsse über
die Aufstellung ziehen. So war Schnyder nie anzutreffen, da sie jeweils
bereits das
erste Match bestritt. Am Samstag spielten Bacsinszky und Vögele ein, wobei
Vögele dann noch eine Extraeinheit mit Coach Ivo Werner absolvierte. Sie
hatte an diesem Tag ja auch keinen Einsatz. Am Sonntag waren wiederum
Bacsinszky und Vögele am Einspielen. Aufgrund des Eindrucks aus diesem Training hätte ich es
riskiert und Vögele für das Einzel gegen Grönefeld aufgestellt. Timea hat
zwar mehr Talent, aber Stefi verfolgt ihren Weg konsequent. Sie ist
austrainiert und in Form, während Timea wohl wieder ein Jahr ihrer Karriere
verstreichen lässt, ohne ihr Potential auszuschöpfen. Während Vögele eine
gewisse Sicherheit ausstrahlte, verzog Timea viele Bälle, sobald sie ausser
Position geriet. Das Training liess die Aufstellung aber erahnen: Timea im
Einzel, Stefi im Doppel. Denn die Aargauerin erhielt danach noch eine
Extraeinheit Volleytraining. Kurz darauf erschienen Verwandte und Bekannte,
würde ich sagen (Bild 3). Die wussten natürlich, dass es heute zu einem
Einsatz kommen würde. Und auch psychologisch passte alles: Das Training im
NYC 08-Shirt (Bild 2), um die positiven Erinnerungen von der bisher einzigen
Grand Slam-Qualifikation an den letztjährigen US Open abzurufen.
2:1
Patty Schnyder - Sabine Lisicki
Überraschung: Heute kriegten wir lange Ballwechsel
zu sehen! Sogar in beiden Einzelpartien. Das war nach den gestrigen Auftritten
nicht zu erwarten gewesen. Aber Patty Schnyder konnte Lisicki mit langen und mit
Spin versetzten Bällen zurückbinden. So konnte die Deutsche nur selten zu
direkten Gewinnschlägen ansetzen. Sie kann allerdings nicht nur draufhauen,
sondern auch gefühlvolle Rückhandstoppbälle spielen. Aber das kann Patty
natürlich schon lange. So entwickelte sich eine
interessante Partie. Die 19-jährige aus Berlin hätte die Partie zu ihren
Gunsten entscheiden können. Dann nämlich, wenn sie ihre Nerven im Griff gehabt
hätte. In wichtigen Momenten versagte ihr Aufschlag. So gab sie sowohl im ersten
als auch im zweiten Satz eine Führung mit drei Doppelfehlern in einem Game
preis. Um so überraschender war dafür ihre Leistung im Tie-Break des ersten
Satzes. Dort packte sie auf einmal ihre Asse und Gewinnschläge wieder aus und
gewann diesen. Schnyder musste das Gleichgewicht zwischen Aggressivität und
Mitspielen finden, wobei ersteres grundsätzlich die richtige Variante war. Je
mehr Fehler Lisicki unterliefen, desto passiver spielte Schnyder. Sobald Lisicki
wieder aufdrehte, brauchte Schnyder dann einige Momente, um auch wieder in
Gang zu kommen. Wie Grönefeld tags zuvor hatte auch Lisicki hohe Bälle auf
Schnyders Rückhand als deren vermeintliche Schwäche ausgemacht. Die Schweizerin
meisterte diese Situationen allerdings sovuerän.
2:2
Timea Bacsinszky - Anna-Lena Grönefeld
Beim gestrigen Match konnte man Bacsinszkys
Niederlage noch mit einer starken Gegnerin erklären. Nachdem nun aber der
Quervergleich aus den Partien von Schnyder und Bacsinszky da ist, relativiert
sich dieses Bild. Ohne Zweifel haben Lisicki und Grönefeld weitaus mehr
Potential, als ihre Weltranglistenposition von Rang 60 zeigt. Doch auch Timea
ist dort klassiert und auch sie hat einiges Potential nach oben. Nur spielte sie
heute noch einen Tick schwächer als gestern und war nach ihrer Niederlage bitter
enttäuscht (Bild 4). Grönefeld hatte es auf die schwache Vorhand der 19-jährigen
abgesehen, die sich in die Defensive drängen
liess. Bacsinszky hätte beim Return aggressiver werden müssen. Zwei Meter
hinter der Grundlinie zu warten, kann auf Dauer nicht funktionieren. Vor allem
dann nicht, wenn man innert zwei Tagen vier Sätze am Stück klar verliert und etwas an der
Taktik ändern sollte.
2:3
Patty Schnyder/Stefanie Vögele - Anna-Lena Grönefeld/Tatjana Malek
Was haben die kroatische Davis Cup-Mannschaft und
das deutsche Fed Cup-Team gemeinsam? - Alle ihre Spieler schlagen Asse am
Laufband! Selbst die nur 172cm grosse Tatjana Malek. Ich revidiere meine Meinung
aus der Vorschau oben auf dieser Seite. Für das Doppel hatte das deutsche Team
neben Grönefeld mit der 21-jährigen aus Bad Saulgau eine valable zweite
Spielerin am Start. Die Jokerfunktion bei den Schweizerinnen übernahm Stefanie
Vögele.
Das Deutsche Doppel hat diese spannende Partie verdient gewonnen. Die Gäste spielten
druckvoller und gingen vor allem am Netz vorne konsequenter in die Bälle hinein.
Das war bislang auch der Schlüssel bei den letzten Erfolgen des schweizerischen
Doppels gewesen. In Sachen Entscheidungsspielen im Doppel war die Schweiz im Fed
Cup zuletzt seit 2004 fünfmal in Folge ungeschlagen geblieben. Emmanuelle Gagliardi hatte dies an der Seite von Patty Schnyder
jeweils sehr gut umgesetzt. Die 32-jährige Genferin ist allerdings nicht mehr
dabei und ihre Nachfolgerin war noch nicht so weit, dies erfolgreich zu
praktizieren. Auch bei Schnyder haperte es. So konnten die Schweizerinnen kaum
Druck auf ihre Gegnerinnen ausüben. Bauchnabel ans Netz und reingehen, heisst
meine taktische Anweisung für die Zukunft.
Die Niederlage gegen Deutschland ist eine verpasste Chance, aber kein Weltuntergang. Im Nachhinein gesehen waren die Gäste wohl sogar näher am vierten Punkt dran als die Schweizerinnen am Dritten. Allerdings steht nun im April ein Relegationsspiel gegen den Abstieg in die Europa/Afrika-Zone I an. Das wird leider kein Spaziergang werden. Doch das Team hätte in dieser Besetzung die Klasse, ihren Platz in der Weltgruppe zu verteidigen.
Nachtrag März 2009: In der Smash-Ausgabe vom März stand, dass an beiden Tagen zusammen etwas über 1000 Zuschauer in der Zürcher Saalsporthalle waren. 700 davon Offizielle, Eingeladene und Sponsoren. Ernüchternde Zahlen leider. Selbstredend, dass ich dies nicht ganz verstehen kann.
Des einen Leid, des anderen
Freud'. Dieses Bild habe ich mir von
tatjana-malek.com "ausgeliehen" .