Fed Cup Österreich - Schweiz |
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Play-Off der Weltgruppe II im Fed Cup 2008 vom 26./27. April 2008 in Dornbirn (AUT)
Vor drei Jahren
kämpften die Schweiz und Österreich gegeneinander um die Zugehörigkeit
in der Weltgruppe I oder II. Nun, mit stärken besetzten Teams und
umgekehrtem Heimrecht, geht es "nur" noch um die Weltgruppe II oder
Europa/Afrika-Zone I. Von dort kommt die Schweiz gerade her und möchte
keinesfalls dorthin zurück. Die Wahl für einen Hartplatz-Belag macht aus Österreichischer Sicht Sinn. Bammer und Paszek liegt dieser Belag, während alle anderen 6 Spielerinnen noch lieber auf Sandplätzen spielen. Die Österreicherinnen möchten mit Bammer und Paszek drei Punkte aus den vier Einzelpartien holen. Der Plan der Schweizerinnen lautet zwei Punkte im Einzel durch Patty Schnyder und den entscheidenden Sieg im Doppel dank Schnyder/Gagliardi einzufahren. Im Vorfeld dieser Begegnung kann sich allerdings keine der Leistungsträgerinnen mit dem Prädikat "in Topform" schmücken: |
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Österreich: Sybille Bammer Tamira Paszek Yvonne Meusburger Melanie Klaffner |
Einzel 24 46 85 310 |
Doppel 483 853 341 250 |
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Schweiz: Patty Schnyder Emmanuelle Gagliardi Stefanie Vögele |
Einzel 12 140 200 |
Doppel 90 92 251 |
1:0
Sybille Bammer - Emmanuelle Gagliardi
Ich war positiv überrascht vom Auftritt der
schweizerischen Aussenseiterin. Die 31-jährige Genferin hielt das Match vom
Start weg lange Zeit offen. Bei der 18-jährigen Vögele hätte zu Beginn wohl ein
Schuss Nervosität mitgespielt, was die Wahl von Gagliardi rechtfertigt. Sie
antizipierte die Schläge von Bammer sehr gut. Ob es dabei aber an der Erfahrung
Gagliardis oder am eintönigen Spiel Bammers lag, sei dahingestellt. Der
Spielstil der 27-jährigen Oberösterreicherin ist, so hart wie möglich zu spielen
und dafür immer die einfachste Variante zu wählen. Das ist dann meistens der
Crossball. Klar hat Bammer auch einen harten Aufschlag. Dass man es damit
aber bis auf ein Karrierehoch von Rang 19 schaffen kann, will ich nicht verstehen. Gagliardis Aufgabe war es, nicht auf die Crossduelle einzugehen, sondern das
Spiel mit Longlinebällen zu verteilen. Das gelang ihr sehr gut.
Erst mit dem Tie-Break in Griffnähe kassierte Gagliardi das erste Break zum 5:7-Satzverlust. Eine verpasst Chance. Schon fast klassisch zog Favoritin Bammer
nach gewonnenem Startsatz im zweiten Durchgang dann mit 3:0 und später mit 5:1
davon. Überraschend hatte Gagliardi zum Ende aber nochmals die Moral und die
Klasse, zurückzukommen. Zu mehr gereicht hat es für die Westschweizerin aber
nicht, da sie 1 Meter vor dem Netz stehend zwei Schmetterbälle kläglich
verschlagen hatte. Je einen in der Endphase jedes Satzes.
Einen Tipp hätte ich vielleicht noch, wie man Österreichs Nummer 1 bezwingen
könnte: Bei tiefen Bällen bekundete sie mehr Mühe als bei mit Spin gespielten,
hoch abspringenden Bällen. Zumindest heute. Eigentlich überraschend bei ihrer
Spielanlage.
1:1
Tamira Paszek - Patty Schnyder
Für dieses Spiel würde ich um die halbe Welt reisen!
Schade, dass nicht einmal die 2'700 Plätze in der Dornbirner Messhalle
ausverkauft waren. Die Stimmung allerdings war sehr gut. Im direkten Duell steht es
1:1. Paszek gewann an den US Open im Tie-Break des Entscheidungssatzes. Schnyder
in Dubai gegen eine mit Magenproblemen kämpfende Paszek.
Nach Bammers Arbeitstennis im Match zuvor folgte nun
also Paszeks Talenttennis. Ich könnte jedes Mal Luftsprünge machen, wenn ich ihr
zusehe. Ich bin entzückt! Und Schnyder ist natürlich auch nicht gerade das, was
man als talentfrei bezeichnen würde. ;-)
Wie in der ersten Partie hielten beide Spielerinnen damentennisuntypisch ihre
Aufschlagspiele. Ohne Breaks ging es in den Tie-Break. Waren zuvor leichte Vorteile
auf Seiten Schnyders gelegen, zog Paszek nun in der Kurzentscheidung davon. War es
der Heimvorteil? War es der Aussenseitervorteil bzw. der
Nicht-die-Favoritenrolle-haben-Vorteil? Vielleicht etwas von beidem. Frech und
überzeugend war jedenfalls, wie Tamira den Satzball gegen die Stoppball-Königin
verwandelte. Mit mit einem Stoppball holte sie die Schweizerin ans Netz und
passierte sie danach der Linie entlang.
Ende erster, anfangs zweiter Satz überzeugte Tamira mit einer unglaublichen
Definsivleistung. Patty Schnyder fehlte der Schlüssel. Gegen andere Gegnerinnen
hätte sie mit ihren Schlägen schon dreimal den Punkt erzielt gehabt... Ein
erfolgreiches Mittel war dann aber, einen langen Ball in die eine Ecke und den
nächsten nur auf Höhe der T-Linie in die andere Ecke zu spielen. Somit musste
sich Paszek nicht nur quer, sondern von hinter der Grundlinie auch noch nach
vorne bewegen.
Im zweiten Satz gab es zu Beginn gleich drei Breaks zum 1:2 für Schnyder.
Nachdem Tamira bereits bei 1:1 eine Entscheidung monierte hatte, stellte sie
sich bei 1:3 quer. Sie setzte sich auf den Boden und schrie den Schiedsrichter
an. Das ist nicht die feine englische Art. Aber zu Hause erlaubt man sich wohl
mehr als auswärts (ganz à la
Alize Cornet). Der Grund dafür lag nicht ausschliesslich in den
vermeintlichen Fehlentscheidungen. Schuld daran waren eine stärker werdende
Gegnerin und die fehlende physische Stärke. Tamira konnte im Jahr 2008 erst 5
Turniere bestreiten und ist deshalb wohl auch noch nicht auf dem nötigen
Fitnesslevel. Gegen aussen hin waren es leichte Probleme mit dem linken
Oberschenkel. Insgesamt verlor sie aber mehr und mehr an "Kampfkraft".
Erst nahm die Konzentration ab, danach
wurden die Beine langsamer und zum Schluss schwand auch noch ihre Schlaghärte.
Solche Schwächen lässt eine
Weltranglisten-12. natürlich nicht ungenutzt.
Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig eine starke Teamleaderin für eine
Mannschaft ist. Dank Patty Schnyder ist die Schweiz zurück auf der Erfolgspur
und kann zuversichtlich auf den Sonntag blicken.
2:1
Sybille Bammer - Patty Schnyder
Nach dem Papierform-Samstag folgte der
Überraschungs-Sonntag. Sensations-Sonntag muss man eigentlich sagen! Schnyder
legte gegen eine fehleranfällige Bammer souverän zum 4:0 vor. Doch dann gewann
das 28-jährige österreichische Geburtstagskind im Duell der Linkshänderinnen alle 12 Games
in Folge!? Schnyders erster Aufschlag wurde zu einer Hypothek. Bammer unterliefen keine Fehler mehr, Schnyder konnte nicht mehr
punkten... Sensationell. Und die vermeintliche Vorentscheidung in der gesamten
Begegnung zu Gunsten der Gastgeberinnen.
2:2
Tamira Paszek - Stefanie Vögele
Der Plan wäre gewesen, Vögele bei einer 2:1-Führung
gegen Paszek antreten zu lassen, um Schnyder/Gagliardi anschliessend für den Showdown
im Doppel einzusetzen. Nun lag die Schweiz aber zurück, ein Sieg wurde zur
Pflicht. Dennoch hielt man an der Entscheidung fest. Zwar startete die
18-jährige Aargauerin mit einem Doppelfehler ins Match, doch blieb dies der
einzige Tribut, den Vögele der grossen Aufgabe zollen musste. Im ersten Satz
spielte sie erstaunlich gut mit, lag aber mit 2:5 hinten und konnte nur noch auf
4:5 verkürzen. Eine Ehrenmeldung zwar, aber ohne die Sensation ist der Abstieg
besiegelt.
Von der Spielanlage her kommt Stefanie Vögele zu gut, dass sie in ihre durchaus
harten, offensiven Schläge einiges an Top Spin einbaut. Durch den Drall konnte
Paszek nicht einfach den Druck des aufspringenden Balles in eigene Energie
umwandeln. Ausserdem spielt die Nummer 200 der Weltrangliste die Bälle mit einer
sehr guten Länge. Ohne diese würde nämlich auch der Top Spin nichts bringen.
Sehr wertvoll waren Vögele's konsquente, aggressive Returns auf die zweiten
Aufschläge der 17-jährigen Lokalmatadorin. Sie erzielte Returngewinnschläge am
Laufband und Paszek unterliefen unter diesem Druck zunehmend Doppelfehler. Dem
eigenen Aufschlag konnte die Schweizerin vertrauen. Mindestens fünf Asse haben
wir gezählt! Aus dem Spiel heraus war es ebenfalls die Schweizerin, die Druck
machen konnte und ihre Gegnerin über den Platz hetzte. Vögele ist absolut fit
und austrainiert, wodurch bezüglich Ausdauer nie ein Fragezeichen aufkam. Das
klingt ja alles durchaus positiv. Aber erst wenn man sich vor Augen hält, dass
sie den zweiten Satz gegen die Weltranglisten-46. mit 6:1 bestimmte, sieht man,
wie sensationell Stefi's Darbietung war!
Im Entscheidungssatz war Mut und Nervenstärke gefragt. 0:2 15:40 geriet Stefi
ins Hintertreffen, konnte aber auf 2:2 ausgleichen. Vom Ergebnis her blieb es
nun eng. In den Ballwechseln dominierte weiterhin die Schweizerin. Sie machte
die Punkte oder die Fehler und verdammte Tamira Paszek zur Statistin. Bei 4:4 folgte
das nächste Break zu Gunsten der Schweizerin, die nun zum Matchgewinn servieren
konnte. Zwei Matchbälle bei 40:15 reichten nicht aus. Aber das Re-Break zu Null
zum 6:5 gab neuen Mut. Wiederum 40:15 und der 5. Matchball war dann der Punkt ins Glück
für Stefi und die Schweiz!
Verliererin des Wochenendes ist somit natürlich Tamira, die ihre beiden
Einzelpartien verlor. Das tut mir leid für
sie. Man kann im Moment schon von einer kleineren oder mittleren Durststrecke
reden. Schuld daran ist die Physis. Darauf baut das ganze Spiel auf. Und das
Selbstvertauen natürlich. Darauf bauen ihre Gewinnschläge auf. Fehlentscheide
gab es zu Hauf an diesem Wochenende. Aber dass die 17-jährige so vehement
darüber lamentiert, ist befremdend und eigentlich nur ein Ventil für die
schlechte Eigenleistung.
2:3
Melanie Klaffner/Yvonne Meusburger - Patty Schnyder/Emmanuelle Gagliardi
Mit dem Momentum auf Seiten der Schweizerinnen
verkam der Showdown zum Einbahntennis. Zu gross war der Unterschied im
Leistungspotential. Ich verstehe nicht, warum man im österreichischen Doppel auf
Sybille Bammer verzichtete. Aber auch das hätte den den Abstieg Österreichs
nicht verhindern können.
Emmanuelle Gagliardi nahm wie bereits in Budapest die Rolle als Kopf des Doppels
inne und zeigte eine starke Leistung. Alle drei Spielerinnen hatten somit ihren
grossen Anteil an der Rückkehr der Schweiz in die Weltgruppe. Patty Schnyder
ebnete als Teamleaderin den steinigen Weg durch alle Partien hindurch. Brach
sozusagen die Spitze. Und wenn es nötig wurde (und es wurde nötig!), konnte sie auf ihre
Teamkolleginnen zählen. Am Schönsten ist natürlich, dass die Jüngste zur Heldin
wird. Sie bekam dieses Jahr leider nur wenig Spielzeit, schaffte es dabei zwar
zu Ehrenmeldungen, aber nicht zum Sieg. Und nun schlug sie ein wie eine Bombe!
Einzige Verliererin aus Schweizer Sicht ist Timea Bacsinszky. Sie spielt nicht
für die Schweiz im Fed Cup, weil sie ihr Einzelranking verbessern möchte, um im
Sommer an den Olympischen Spielen in Peking für die Schweiz starten zu können.
Klingt paradox, ist es auch.
Unsere Fed Cup-Heldin Stefanie Vögele zusammen mit meinem Kumpel Roland und mir. Die diesjährigen Fed Cup-Abenteuer haben sich gelohnt. Auch für mich als Fan. Nach dem sensationellen Doppelthriller in Budapest folgte die Sensation wie Phönix aus der Asche in Dornbirn. Die Unterschriften des ganzen Teams sind ein schönes Andenken daran. Hopp Schwiiz!