Rabble-GrandSlam-Reise nach Paris 2006

zurück zur Übersicht         Last updated: 28.04.2008

alle Berichte aus der Rabble-Tennisdatenbank zu: Nicole Vaidisova, Marcos Baghdatis, Aravane Rezai, Julien Benneteau
Nicole Vaidisova - US Open 2005
Marcos Baghdatis - Australian Open 2005
Alleine gegen ganz Frankreich - Nicole Vaidisova

 

3. Runde:   Nicole Vaidisova (16) - Aravane Rezai (Q)   6:1 6:7 6:0

Wir haben es schon oft erlebt und es ist das, was die French Open eigentlich zum Schlechtesten aller vier Grand Slam-Turniere werden lässt: Das unfaire Publikum. Patriotisch sein ist erlaubt, unfair werden hingegen nicht. So war es im letzten Jahr bei den Siegen von Nadal und Ivanovic über die französischen Lieblinge Grosjean und Mauresmo. Und vor drei Jahren wurde die Belgierin Justine Henin-Hardenne gegen Seriensiegerin Serena Williams zum Halbfinalsieg gehievt. Martina Hingis hat auch so ihr Erfahrungen gemacht, wobei dies 1999 gegen Steffi Graf selbstverschuldet war.

Nicole Vaidisova ist von ihrem Temperament her eine Kandidatin, um solchen Ärger auf sich zu beschwören. Ihr Spiel gegen Nadia Petrova an US Open 2006 verlor sie auch aufgrund ihrer Unbeherrschtheit und ihres Ehrgeizes.

Doch eigentlich deutete nichts auf den Eklat hin. Denn Aravane Rezai war keine ebenbürtige Gegnerin. Die 19-jährige Französin mit iranischen Wurzeln spielte sich durch die Qualifikation und dank Siegen über Brianti und Sugiyama bis in die dritte Runde. Eigentlich wäre Rezai dank ihrer Klassierung von Rang 141 in der Weltrangliste als Französin eine heisse Anwärterin auf eine Wild Card gewesen. Da sie aber auch schon für den Iran startete und an den Muslim Women Olympic Games teilnahm, ist ihr Verhältnis zum französischen Verband etwas strapaziert.

6:1 5:2 stand es für Nicole Vaidisova, als das Publikum Partei für die 19-jährige Französin ergriff. Diese brachte ihr Aufschlagspiel durch. Als die 17-jährige Tschechin bei 5:3 zum Sieg servierte, da war ein durchgehender Lärm vor ihrem Aufschlag, zwischen dem ersten und zweiten Service oder wenn sie einen Ballabdruck kontrollieren lassen wollte. Sie wurde wirklich richtiggehend fertig gemacht. Beeindruckt von dieser Kulisse gab 18. der Weltrangliste ihren Aufschlag ab.

Sehr ungeschickt war Vaidisovas Reaktion auf den Aufschlagverlust zum 5:4. Sie warf ihr Racket zu Boden, was bei den Franzosen ohnehin immer Pfiffe auslöst. Und beim Seitenwechsel auf der Bank sitzend machte sie einen Kussmund und verteilte ein Küsschen ins Publikum. Zum Glück hatten das nicht alle bemerkt.
Bereits beim Stand von 1:1 im zweiten Satz hatte sie sich zum Beispiel sehr über sich selbst aufgeregt, dass sie unnötig ein Game abgegeben hatte. Das war natürlich übertriebener Ehrgeiz gewesen, was damals allerdings noch keinen Einfluss auf ihr Spiel oder das Publikum gehabt hatte.

Mit neuem Racket ging es in das nächste Game, wo sich die Favoritin bei Aufschlag Rezai einen Matchball erarbeiten konnte. Doch die Französin hielt ihr Aufschlagspiel zum 5:5 und verwertete anschliessend im Tie-Break ihren vierten Satzball.

Das Ende des zweiten Satzes war die einzige Phase gewesen, in der Rezai ihrer Gegnerin hatte Paroli bieten können. Sie hatte nichts mehr zu verlieren gehabt, spielte befreit auf und profitierte auch von Vaidisovas Unerfahrenheit. Auf Sand kann eine schnelle Spielerin, wie es Rezai ist, gegen das Powertennis der bereits sechsfachen WTA-Turniersiegerin besser dagegenhalten als auf anderen Belägen. Ausserdem fehlt der Tschechin das Händchen, um einen Stoppball einstreuen zu können oder Variation ins Spiel zu bringen. Mit zunehmender Erfahrung wird sich das Spiel der 17-jährigen hoffentlich noch entwickeln. Trotz diesen Nachteilen kam Vaidisova mit einem Turniersieg auf Sand nach Paris angereist. Sie hatte in der Vorwoche beim Turnier in Strasbourg gesiegt.

Ich glaube, ich war der einzig übrig gebliebene Vaidisova-Fan im Stadion oder zumindest der einzige, der sich geoutet hat. Aber bei dieser unfairen Stimmung muss man doch eigentlich seinen Gerechtigkeitssinn spielen lassen. Und da die Tschechin die ersten Lebensjahre in Nürnberg verbracht hatte, bevor sie nach Prag und dann in die Bollettieri-Akademie nach Florida zog, konnte ich auch schon mal einen Anfeuerungsruf auf deutsch hinunterrufen. Das verstanden dann die Franzosen nicht, was mir gerade recht war. Und ich glaube, die Unterstützung war etwas Balsam auf die Wunden. Da hast du 5'000 Leute gegen dich und dann hörst zwischendrin wenigstens doch auch mal noch jemanden, der deinen eigenen Namen ruft.

Nachdem der zweite Satz also an die Aussenseiterin aus St. Etienne ging, nahm Vaidisova verständlicherweise eine Toiletten- beziehungsweise Umkleidepause. Das Beste was sie tun konnte, um die Stimmung wieder abzukühlen, war, nichts mehr anbrennen zu lassen. Und glücklicherweise gelang ihr das auch. Sie fertigte Rezai im dritten Satz mit 6:0 ab und überstand somit dieses brenzlige Match.

 

4. Runde:   Nicole Vaidisova (16) - Amelie Mauresmo (1)   6:7 6:1 6:1
Doch so übel die ganze Geschichte gegen Rezai gewesen war. Ich glaube das war gleichzeitig auch ein wichtiger Meilenstein für Nicole Vaidisova. Sie ist daran gewachsen. Denn nun wusste die 17-jährige, was es zu beachten galt, als das Ganze eine Nummer grösser wurde. Denn nun war es nicht mehr der Court Suzanne Lenglen sondern der Court Philippe Chatrier. Und die Gegnerin hiess nicht mehr Aravane Rezai sondern Amelie Mauresmo. Völlig beherrscht machte sich Vaidisova ans Werk, ihren bisher grössten Sieg einzufahren und schaffte dies auch. Und mit dem Publikum gab es auch keine Probleme. Zu gross war auch der Leistungsunterschied zwischen Vaidisova und Mauresmo in den Sätzen zwei und drei.

Viertelfinale:   Nicole Vaidisova (16) - Venus Williams (11)   6:7 6:1 6:3
Der Spielstil von Nicole Vaidisova erinnert mich immer an denjenigen von Venus Williams. Umso interessanter ist natürlich ein Aufeinandertreffen dieser beiden Spielerinnen.

Halbfinale:   Nicole Vaidisova (16) - Svetlana Kuznetsova (8)   7:5 6:7 2:6
Bislang waren die vierte Runde an den letzten beiden Grand Slam-Turnieren in Wimbledon und an den US Open Vaidisovas beste Ergebnisse gewesen. Und hätte die 17-jährige beim Stande von 5:4 im zweiten Satz das Match gegen Svetlana Kuznetsova ausservieren können, hätte es sogar sensationell die erste Finalteilnahme werden können.
Aber die Zukunft gehört der 17-jährigen Pragerin. Ich bin ja immer noch der Meinung, dass wir dereinst eine tschechische Doppelführung in der Weltrangliste haben werden dank Tomas Berdych und Nicole Vaidisova.

 

2. Runde:   Julien Benneteau - Marcos Baghdatis (19)   3:6 6:4 6:3 6:7 6:4

Im Gegensatz zu Nicole Vaidisova muss Marcos Baghdatis auch selbst im Spiel gegen einen Franzosen nicht mit einem unfairen Publikum rechnen. Denn der 20-jährige zypriotische Australian Open-Finalist trainiert seit Jahren in Paris. Ausserdem ist er ein Showman, was man selbst in den brenzligsten Situationen der Partie gegen Benneteau sehen konnte. Da lässt er nach einem langen Ballwechsel schon mal seine Zunge heraushängen und lacht verschmitzt ins Publikum.

Der beste Junior des Jahres 2003 ist deshalb natürlich auch ein gefundenes Fressen für Adidas, einen der Hauptsponsoren der French Open. Sein Bild thront auf einem Gebäude in der Nähe der nächstgelegenen Metrostation (Bild 7).

Auf dem Scoreboard sah ich die 2:1-Satzführung und das 4:2 für den aufschlagenden Julien Benneteau und machte mich sofort auf den Weg zum Court 1. Als ich dort war, stand es 5:2 und der 24-jährige Franzose stand kurz vor der Überraschung.

Es war sehr gutes Match zwischen den Beiden. Benneteau suchte wann möglich denn Weg ans Netz. Baghdatis streute immer wieder seine starken Stoppbälle ein. Überhaupt war das Spiel sehr facettenreich und ging nicht nur von links nach rechts, sondern auf von hinten nach vorne und eventuell sogar wieder zurück. Solche Variationen sind etwas, was man im Damentennis zum Beispiel kaum sieht.

Bei eigenem Aufschlag verkürzte der Zypriote auf 3:5 und da der Franzose seinen Aufschlag nicht halten konnte, stand es bereits nur noch 4:5 auf Sicht des Favoriten. Doch nun war es soweit: Die ersten beiden Matchbälle für Benneteau bei 15:40. Aber auch hier zog Baghdatis dank vier Punkten den Kopf aus der Schlinge und glich zum 5:5 aus. In der Endphase des vierten Satzes kochten die beiden vor (positiven) Emotionen. Beide hatten ihre vertrauten Personen in der Spielerbox, welche sie lautstark anfeuerten (Bild 4).

Marcos Baghdatis schaffte den Satzausgleich. Und oft ist es so, dass ein Aussenseiter wie Julien Benneteau seinen vergebenen Chancen nachtrauert und der weitere Verlauf des Matches dann nur noch eine Formsache für den Favoriten ist. Nicht aber in diesem Match. Es gab ein einziges Break im fünften Satz und das holte sich der 93. der Weltrangliste.

 

Marcos Baghdatis

3. Runde:   Julien Benneteau - Radek Stepanek (11)   5:7 7:5 7:6 6:3
4. Runde:   Julien Benneteau - Alberto Martin   5:1 ret.
Viertelfinale:   Julien Benneteau - Ivan Ljubicic (4)   2:6 2:6 3:6
Julien Benneteau packte die sich bietende Chance beim Schopf. Sowohl im Einzel als auch im Doppel erreichte er das Viertelfinale, was seine Karrierebestleistung darstellt.

 

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