Rabble-GrandSlam-Reise nach Melbourne 2005

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Maria Sharapova - French Open 2004: vor dem grossen Durchbruch?
Maria Sharapova - Mit Juniorentennis an die Weltspitze

 

Aufschlag nach aussen und dann von der Grundlinie aus jeden Schlag abwechselnd links und rechts in die Ecken hämmern. So sieht das Tennis von Maria Sharapova aus. Das ist die Handschrift der Nick Bolletieri-Schule.
Das Negative daran: Das ist eigentlich pures Juniorentennis. Zu wenig facettenreich. Kein extremer Spin, kein Slice, kein Volley, kein Stopball, keine Tempowechsel, nichts. Sie spielt auch praktisch nie in der Doppelkonkurrenz.
Das Positive daran: Keine kommt an die Geschwindigkeit und die Genauigkeit heran, welche die 17-jährige Wimbledon-Siegerin im Moment an den Tag legt.
Wir haben in den letzten Jahren erlebt, wie die Frauen an der Spitze des Damentennis gewechselt haben. Das ist eine Folge des Powertennis. Erst wird man durch eine Verletzung behindert und dann kommt aus dem Nichts eine Spielerin hervor, die den Ball noch härter schlägt.

Ich denke, dass wir in zwei bis drei Jahren eine Maria Sharapova sehen werden, welche ihr Spiel mehr variieren wird. Dann werde ich vielleicht noch zum "echten" Sharapova-Fan. Denn bislang fehlt mir immer noch das Besondere an ihr. Und ich habe auch immer etwas Befürchtungen vor einem möglichen Absturz. Es ist geradewegs aufwärts gegangen für das Teenie-Idol. Was aber, wenn es einmal nicht mehr so läuft. Ich meine, sie ist erst 17 Jahre alt und jedermann reisst sich um sie. Es gibt genügend negative Beispiele...
Zur Zeit braucht sich die Weltranglistenvierte darum aber nicht zu kümmern. Geht es so weiter, wird sie bald auch in der Weltrangliste den Tennisthorn bestiegen haben.

 

1. Runde:   Maria Sharapova (4) - Lindsay Lee-Waters   4:6 6:0 6:3

Es war ein umkämpfter Satzsatz zwischen der klaren Favoritin und der Nummer 87 der Weltrangliste. Maria Sharapova hob sich während dem Turnier nicht gerade als Schnellstarterin hervor. Lee-Waters hingegen hielt gut dagegen und versuchte, dem Powertennis von Sharapova stand zu halten. Die 27-jährige Aussenseiterin konnte den Startsatz für sich entscheiden.

Der Satzverlust war für die aktuelle Masters-Siegerin ein Weckruf. So wie die Zahl der unerzwungenen Fehler bei ihr sank, nahm auch die Anzahl der Gewinnschläge gleichermassen zu. Das ist eine klare Folge ihres Tennisstils. Die 17-jährige Russin kann ihr Spiel nicht variieren. Entweder es läuft oder es läuft es nicht. Zu ihrer Verteidigung ist allerdings zu sagen, dass es meistens sehr gut läuft. So auch im restlichen Spiel gegen Lindsay Lee-Waters, in dem sie nie mehr in Gefahr geriet, das Match aus den Händen zu geben.

Bild 4 ist ein kleines Müsterchen eines Netzangriffes von Maria Sharapova. Da wird kein Volley gespielt. Der Schlag wird auch am Netz vorne gleich wie an der Grundline Top Spin durchgezogen. Die Williams-Schwestern hatten diese Technik vor einigen Jahren auf der Tour eingeführt. Den Ball auf dem Bild wird sie allerdings zu spät treffen und völlig nach rechts in die Binsen hauen.

In der vierten Runde gegen die 27-jährige Top 20-Spielerin Silvia Farina-Elia musste Sharapova ebenfalls den ersten Satz abgeben. Ich dachte mir, dass es ein schweres Spiel für die Aufsteigerin des letzten Jahres geben könnte. Farina-Elia hat als ursprüngliche Sandplatzspielerin und dank der Erfahrung von zehn gespielten Australian Open ein schwer zu spielendes Tennis, mit dem sie ihre Gegnerin aus dem Konzept bringen könnte. Satz 2 und 3 gewann Maria Sharapova dann aber wieder mit der gleichen Durchsetzungskraft, wie sie es bereits im Spiel gegen Lee-Waters getan hatte.

 

Viertelfinale:   Maria Sharapova (4) - Svetlana Kuznetsova (5)   4:6 6:2 6:2
(Mehr Infos und Bilder zu dieser Partie gibt es im Bericht zu Kuznetsova/Molik.)

Die Wimbledon- und Masters-Titelhalterin trifft auf die aktuelle US Open-Siegerin. Was für eine Affiche zwischen der Nummer 4 und Nummer 5 der Weltrangliste. Und das bereits im Viertelfinale!

Das beste Spiel des Tages. Doch es sah zu Beginn nach einer einseitigen Angelegenheit aus. Denn Maria Sharapova wirkte bereits angeschlagen, als sie auf den Platz kam. Sie kam mir vor wie eine 60 Jahre alte Dame, die bei einem Ausflug in Alice Springs aus dem klimagekühlten Bus an die brennende Hitze aussteigen musste. Der erste Satz ging verdient mit 6:4 an Kuznetsova.

Nach acht Tagen Live-Tennis versuchte ich mich weiter ein bisschen damit, in die Psyche einer Spielerin einzudringen und sie zu unterstützen. Normalerweise bleibt das Daniela Hantuchovà vorbehalten, aber diesmal hatte ich es auch bei Maria Sharapova versucht. Deshalb nämlich, weil ich Svetlana Kuznetsova für das anschliessende Doppel gegen Daniela noch etwas müder und niedergeschlagener sehen wollte. "Come on, Maria, fight!" bei 4:5 im ersten Satz waren die magischen Worte. Denn in ihrem Spiel geht alles über Power und heute wirkte sie völlig kraftlos. Im zweiten und dritten Satz hat sie sich dann richtig reingebissen. Dank einer Willensleistung konnte sie die Partie zu ihren Gunsten entscheiden.

Der vielleicht schönste Aufschlag auf der Damentour ist auf den Bildern 4-6 zu bewundern. Es ist zwar nicht der schnellste Service, aber man könnte ihn in ein Tennis-Lehrbuch aufnehmen. Und die wehenden, blonden, langen Haare der 183cm grossen Russin tun dann noch das ihre dazu, dass der Service so ästhetisch wirkt.

Kurz vor dem Hitze-Knock-Out auf Bild 8 und 9: Maria Sharapova kann nach über zwei Stunden Kampf ihren Sieg bejubeln. Läuft es der jungen Russin richtig gut, tänzelt sie zwischen den Punkten jeweils ähnlich einer Boxerin vor dem Aufschlag und Return. Heute allerdings torkelte sie angeschlagen, fiel aber nicht um.

Screaming Maria: Sogar auf den Bildern kann man erkennen, wie die Weltranglistenvierte den Ball geradezu auf die andere Seite "schreit". Dieser akustische Zusatz lässt ihr Spiel noch kraftvoller erscheinen.

 

Halbfinale:   Maria Sharapova (4) - Serena Williams (7)   6:2 5:7 6:8
(Mehr Infos und Bilder zu dieser Partie gibt es im Bericht zu Serena Williams.)

Das Highlight zum Schluss: Dieses Halbfinale war wohl das Beste, was das Damentennis zur Zeit zu bieten hat.

In den Finalspielen von Wimbledon und beim Masters in Los Angeles besiegte die junge Russin ihre sechs Jahre ältere Gegnerin, die beide Male als Favoritin ins Match ging. Mit dem Selbstvertrauen dieser wichtigen Siege stieg Sharapova ins Match. Da war nichts von einer Langsamstarterin zu sehen. Sie überrollte ihre Gegnerin im ersten Satz regelrecht. Serena versuchte, dagegen zu halten, aber es funktionierte nicht. Das war die absolute #1, was Maria Sharapova da gezeigt hat. Da hat keine eine Chance gegen sie.

Serena Williams hatte meiner Meinung nach die falsche Taktik gewählt. Im ersten Satz war sie viel zu fehlerhaft, um zu versuchen, mit dem Tempo mitgehen zu können. Im zweiten Satz tauchte die US-Amerikanerin ab und zu am Netz auf, aber auch das war ein Fehler. Insgesamt nur 5 erfolgreiche von 12 Netzangriffen (und als Netzangriff gilt auch, wenn man aus dem Halbfeld einen Angriffsball versenkt). Eine miserable Statistik. Sie hätte versuchen sollen, das Tempo zu variieren und mehr Spin in ihre Schläge zu bringen.
Aber das Spiel war nun auf höchsten Niveau und sehr spannend. Bei 5:4 und eigenem Aufschlag müsste Maria Sharapova den Sack zu machen können. Doch Serena gelang es zu kontern. Sie marschierte vom 3:5 bis zum Satzgewinn dank dem 7:5 durch.

Nun musste man sich um die Kondition der 17-jährigen sorgen. Es war nicht mehr so heiss wie im Match zwei Tage zuvor gegen Kuznetsova. Aber man sah ihr an, dass sie platt war. Zu Beginn des dritten Satzes versuchte sie Kräfte, zu sparen und hatte sogar mit dem Schreien aufgehört. Aber das ist nicht gut für ihr Spiel, weil sie mit angezogener Handbremse keinen Erfolg hat.
Ich hatte es also mal wieder mit meiner Tiefenpsychologie versucht. Bei 1:1 30:0 Aufschlag Serena meldete ich mich mit 'Come on, Maria, I want to hear you scream' zu Wort. Kam noch gut an beim Publikum. ;-) Etwas Gelächter gab es. Aber es war ernst gemeint. Sharapova muss fighten, nur dann kann sie gewinnen.
Aber auch Williams war am Leiden, nur zeigte sie dies nicht so offensichtlich, um
ihre Gegnerin nicht aufzubauen. Es ging in die Verlängerung, Sharapova hatte immer etwas die Nase vorne, konnte ihre Chancen aber nicht packen. Fatal die drei ungenutzten Matchbälle der Wimbledon-Siegerin bei eigenem Aufschlag 5:4 40:0.
Die entscheidende Situation folgte bei 6:6 und Aufschlag Maria Sharapova. Serena Williams hatte sich zuvor über eine Linienrichterentscheidung aufgeregt. Bei 0:30 schlug Sharapova ihren ersten Aufschlag ins Aus. Der Linienrichter rief korrekt "Fault". Das nahm mein amerikanischer Williams-Fan auf dem Platz neben mir zum Anlass, um "bloody good call" auf den Court zu schreien. Es folgten einige Lacher aus dem Publikum. Und das alles zwischen dem ersten und zweiten Service, was man nicht tun sollte. Prompt folgte der Doppelfehler zum 0:40. Serena Williams liess sich die Chance nicht entgehen und schnappte sich das Break zum 7:6.
Bei diesem Spielstand musste ich leider zum Taxi spurten, sonst wäre mein Flugzeug dann ohne mich abgeflogen. Williams hatte sich anschliessend ihr Aufschlagspiel nicht mehr nehmen lassen und den Sack zugemacht. Das war ein starker und vor allem kaltblütiger Auftritt der Australian Open-Siegerin von 2003, die das Maximum herausgeholt hat. Maria Sharapova wurde in der Hitze hingegen wohl auch zum Verhängnis, dass sie bereits zum dritten Mal über die vollen drei Sätze gehen musste. Da hat sie eine grosse Chance vertan.

Der Geheimtrick von Maria Sharapova auf Bild 9: Einen Beutel mit Eis zwischen den Beinen einklemmen. Na, für was das wohl hilft?...

 

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