Rabble-GrandSlam-Reise nach Melbourne 2005 |
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Andre Agassi - Australian Open 2005: myFavourites | |
Andre Agassi - vom Paradiesvogel zum Altmeister |
In den letzten Jahren heisst es jedesmal wenn Andre Agassi zu einem Grand Slam-Turnier antritt, er sei noch fitter als je zuvor. Dies speziell beim ersten Majorturnier des Jahres in der Hitze Australiens. Doch die Aussage über den 34-jährigen ist nicht mehr richtig. Spätestens seit den Australian Open 2004 nicht mehr. Zuvor hatte er in 2000, 2001 und 2003 (2002 fehlte er verletzungsbedingt) mit seinen Titeln zwei bis vier in Melbourne die Konkurrenz nach belieben dominiert.
Ein Lleyton Hewitt zum Beispiel, 23-jährig,
hat ihn verständlicherweise in punkto Fitness abgelöst. Andre Agassis
Möglichkeiten, noch einmal einen grossen Titel zu gewinnen, sind auf Hardcourt
am grössten (Australian Open oder US Open). Aber die Top 4 der Welt stehen
mittlerweile eine Stufe über ihm. Federer, Roddick, Hewitt und Safin haben alle
bereits einen US Open-Titel vorzuweisen. Sie fühlen sich auf Hardcourt ebenso
wohl wie der viermalige Australian Open- und zweimalige US Open-Champion.
Der Mann aus Las Vegas war für mich also die Nummer fünf in der Hierarchie mit
Aussenseiterchancen auf den Titel. Und nach der Auslosung des Draws ging das
Hoffen für Agassi und Federer los. Live ein Viertelfinale zwischen diesen
beiden Giganten zu erleben, das wäre die Krönung.
1. Runde: Andre Agassi (8) - Dieter Kindlmann 6:4 6:3 6:0
Das Hoffen für Agassi war bei meinem Sitzplatznachbar Michael und mir insbesondere gross, weil der US-Amerikaner in der Vorwoche beim Einladungsturnier in Kooyong im Spiel gegen Roddick angeschlagen aufgeben musste.
In der ersten Partie gegen den deutschen Qualifikanten Kindlmann fand er aber gut ins Match und konnte dem Spiel klar seinen Stempel aufdrücken. Wenn die Fitness etwas (wirklich nur etwas (!); und das auch bedingt wegen der zunehmenden Verletzungsanfälligkeit) nachlässt, hilft es, schnelle Punkte zu gewinnen. Andre Agassi zeigte sich beim Aufschlag stärker. Er servierte 8 Asse und sein schnellster Aufschlag betrug 201km/h. Für diesen zusätzlichen Vorteil nahm er aber auch bewusst mehr Risiko auf sich, was sich in 5 Doppelfehlern niederschlug.
Andre Agassi live zu erleben, seine Eigenheiten: Immer bevor es neue Bälle gibt (jeweils nach 7 bzw 9 Games) nimmt er ein neues Racket und lässt die Folie von einem Balljungen abziehen. Seine kleinen, aber schnellen Schritte. Sein Zupfen am Shirt. Seine Macke, dass jeder Balljunge immer an seinem vorgegebenen Platz stehen soll. Das Auswählen der Bälle vor Aufschlag. Es war das erste Mal, dass ich ein Spiel meines "Idols" erlebt habe. Das ist meine Generation, damals war ich noch "jung". In seinem Spiel (kurz gezogene Rückhand, früh in die Bälle hineingehen) finde ich das, was auch meinen Tennisstil geprägt hat. Auch wenn's in der Umsetzung es hapern mag. ;-)
Auf Bild 5 ist in schwarz mit dem Cap sein Coach Darren Cahill zu sehen, der Agassi seit knapp drei Jahren betreut. Das rechts daneben in weiss sitzt sein Fitness Coach und einer seiner besten Freunde, Gil Reyes, der mit ihm bereits seit 1990 zusammen arbeitet.
Der in Altstätten SG wohnhafte Korbacher hatte in 2003 sein Super-Jahr. Damals schaffte er als Nummer 38 des Rankings sensationell den Finaleinzug bei den Australian Open und brillierte die ganze Saison hindurch. In der Herbstsaison holte er sich Titelgewinne in Tokio und Lyon sowie den Halbfinaleinzug beim Masters in Houston unter anderem dank einem Sieg gegen den Weltranglistenersten Andy Roddick. Er beendete die Saison 2003 auf dem sechsten Schlussrang.
Danach folgte aber der Fall auf das Level, von dem er sich seit 1999 abgesehen von seinem Super-Jahr nie lösen konnte. Beim Eröffnungsmatch in der Rod Laver Arena (Australian Open 2004) unterlag Vorjahresfinalist Schüttler dem Newcomer Robin Soderling in fünf Sätzen. Als Folge seiner 19 Auftaktniederlagen in der Saison 2004 resultierte der Fall aus den Top 30.
In seinem Spiel läuft viel über den Kampfgeist. Der 28-jährige Deutsche ist kein filigraner Techniker, sondern ein Arbeiter. Grundstein seines Spiels ist eine solide Technik, starke Laufarbeit, Ausdauer und eine gesunde Portion Verbissenheit. Als Folge seines tieferen Rankings musste der Ungesetzte gegen Olivier Patience in der Startrunde draussen auf Court 13 antreten. Das Selbstvertrauen fehlte bei Schüttler, dass konnte man bereits in den wenigen Games erkennen, die ich mir angesehen hatte. Immerhin, der 7:6 6:3 6:3-Sieg reichte für den Einzug in die nächste Runde.
2. Runde: Andre Agassi (8) - Rainer Schüttler 6:3 6:1 6:0
Zwei Jahre zuvor standen sich diese beiden an selber Stelle im Finale gegenüber. Damals gewann der nahezu unantastbare Andre Agassi in nur eineinviertel Stunden.
Die beiden Partien kann man miteinander vergleichen. Auch damals nahm das Match mit zunehmender Dauer immer noch klarere Formen an. Dieses Mal benötigte Agassi, dem man nichts mehr von einer möglichen Verletzung anmerken konnte, 1h 27min. Wiederum überraschte der Weltranglistenachte mit 7 Assen.
Rainer Schüttler hingegen hat mich enttäuscht. Beinahe hätte ich ihm auf den Platz runtergerufen "Rainer, jetzt hör' auch Dich zu ärgern, Du bist doch dran." Das Spiel war zwischenzeitlich nämlich weit enger, als das Resultat vermuten lässt. Aber Schüttler regte sich zu sehr über seine Fehler auf. Klar muss man gegen einen Agassi Risiko gehen. Da unterlaufen einem mehr Fehler. Aber das fehlende Selbstvertrauen machte den grössten Teil aus beim Deutschen. Frust und Resignation über die aktuelle Situation und Wehmut beim Gedanken an das grosse Finale vor zwei Jahren. Zu verbissen agiert und fehlende Freude am Spiel lässt sich in Zahlen wie folgt ausdrücken: 37 unforced Errors zu 24 Winner. 6 Asse gegenüber 8 Doppelfehlern. Aber diese Anzahl Gewinnschläge kann sich gegen einen wie Andre Agassi eigentlich sehr wohl sehen lassen...
Seit dem Halbfinaleinzug beim US Open 2004 dank dem Sieg über den Titelverteidiger Andy Roddick ist Joachim Johansson der aktuelle Shootingstar auf der Tour. Der 198cm grosse Schwede ist mit Jaslyn, der Schwester von Lleyton Hewitt liiert. Zwei Wochen vor Beginn der Australian Open gewann der das Turnier in Adelaide, der Heimatstadt der Hewitts.
Die beiden Bilder stammen vom Dreisatz-Erfolg in der zweiten Runde über Peter Wessels. Das Duell der beiden Aufschlagsriesen wurde dank den schwedischen und holländischen Fans von einer grossartigen Stimmung umrahmt. 21 Asse für Johansson, nur 5 beim 196cm grossen Wessels. Auch spielerisch hatte der Weltranglistenelfte die Vorteile auf seiner Seite und gewann ohne Aufschlagverlust.
Beinahe wäre es aber gar nicht zum Aufeinandertreffen mit Agassi gekommen. In der dritten Runde nämlich stand er gegen Feliciano Lopez kurz vor dem Aus. Spät abends duellierten sich die beiden während 3h 58min. Nach 1:2-Satzrückstand konnte Johansson im Tie-Break des vierten Satzes ausgleichen. Grosse Teile des fünften Satzes sah ich am TV. Der dauerte 84 Minuten und endete mit 13:11 für den Schweden. Er konnte sich gegen den 23-jährigen Spanier mit viel Glück durchmogeln. Denn "Pim Pim", so sein Spitzname, war stehend K.O. Der 23. der Weltrangliste hingegen wirkte so frisch wie zu Beginn des Matches. Deshalb konzentrierte sich Pim Pim nur noch auf seine eigenen Aufschlagspiele und versuchte, Kräfte zu sparen. Lopez hingegen scheiterte Mal um Mal bei seinen Versuchen, das Break zu schaffen. Insgesamt schlug Johansson 38, Lopez 34 Asse. Und auf einmal beging Lopez den fatalen, taktischen Fehler. Anstatt Johansson wie zuvor auf dem Platz umher zu jagen, spielte der Linkshänder nur noch auf die Rückhand des Schwedens, der sich nun schön zu den Schlägen stellen konnte. Und schwups war das Break da, das Johansson zum 13:11 reichte.
4. Runde: Andre Agassi (8) - Joachim Johansson (11) 6:7 7:6 7:6 6:4
Das beste Männermatch, das ich bei den Australian Open live gesehen habe.
Trotz den Aufschlagskrachern von Johansson
konnte Agassi dagegen halten.
Bild 4 und 5 sind nacheinander aufgenommen. Es sind zwei hintereinander folgende
Asse, bei den Agassi nicht den Hauch einer Chance hatte. Auf Bild 5 ist mit 222
km/h auf der Anzeigetafel noch die Geschwindigkeit vom vorherigen Aufschlag zu
sehen.
Da rümpft auch Ehefrau Steffi Graf die Nase, wie auf Bild 6 zu sehen ist. Links
neben ihr ist Gil Reyes, rechts Darren Cahill.
Ich sah nur den "gewinnenden" Andre Agassi. Denn beim verlorenen ersten Satz im Tie-Break war ich noch draussen beim Hantuchova-Doppel. Während die beiden im Startsatz noch je ein Break realisieren konnten, gab es weder im zweiten, noch im dritten Satz Aufschlagverluste. Auch hier musste die Kurzentscheidung her. Mit 7:5 und 7:3 entscheid der 34-jährige US-Amerikaner die Tie-Breaks für sich.
Zu Beginn des vierten Satzes schaffte der Schwede das Break zum 2:0, was bei seinem Aufschlag jeweils schon fast mit Satzgewinn gleich zu setzen ist. Der "beste Returnspieler der Welt" holte sich aber sofort das Re-Break, was zusammen mit dem Gewinn der beiden Tie-Break zuvor eine kleine Vorentscheidung darstellte. "Pim Pim" merkte man nun die schwindenden Kräfte an und Agassi konnte noch ein Break drauflegen.
Wie schon in den Partien zuvor schlug Agassi stark auf. 16 Asse stehen auf seiner Haben-Seite. Mit 4 Doppelfehlern hielt er diese wichtige Kennzahl tief. Der Schlüssel zum Erfolg waren aber die lediglich 13 unerzwungenen Fehler über alle 4 Sätze hinweg. Eine unglaubliche Konstanz. War der Ball einmal im Spiel, sicherte sich Agassi meistens die Punkte. Wie auf Bild 3 zu sehen ist, übte er von der Grundlinie viel Druck aus.
Doch was sind 16 Asse schon gegen den 198cm grossen schwedischen Haudrauf? Im letzten Aufschlagspiel Johanssons dachte ich, ich sollte einmal das Scoreboard fotografieren. Auf Bild 10 sprang der Zähler dank dem Ass zum 30:0 auf 49. Danach folgten aber gleich nochmals zwei in Folge! 51 Asse in einem einzigen Match, das bedeutet Weltrekord. Und das Match dauerte nicht einmal über fünf Sätze!? Allerdings unterliefen ihm auch 9 Doppelfehler und insgesamt 66 unerzwungene Fehler. Nochmals zum Vergleich: Agassi hatte 13 unerzwungene Fehler. 96 Winner bei Johansson. Rechnen wir die 51 Asse ab. Bleiben 45. Davon müssen noch die Servicewinner (direkte Punkte durch den Service, die aber keine Asse waren) abgerechnet werden. Agassi kam auf 35 Winner - 16 Asse.
Emotionen im Spiel von Andre Agassi zu erkennen, das ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Auf Bild 9 ist es mir nach dem Breakgewinn im vierten Satz aber gelungen. Bild 11 zeigt den jubelnden Andre Agassi auf dem Weg zum Handshake. Und der Handshake "David gegen Goliath" auf Bild 12. Aber nicht vergessen, der "180cm kleine" Altmeister hat gewonnen.
Neben dem Viertelfinale von Patty Schnyder hatte ich hier noch meinen grössten "TV-Auftritt". Nach dem dritten Satz sah man Michael und mich klatschen. Und nach Spielende bedankt sich Andre Agassi ja jeweils mit einer Verbeugung auf alle Seiten beim Publikum. Ich war so begeistert - und immerhin ist er ja hier der Star - also hab' ich mich gleichzeitig auch vor ihm verbeugt. Diese Szene kam auch im Fernsehen. Mehr noch, sie war in jedem Newsflash drin, mit dem an diesem Tag über die Australian Open berichtet wurde.
Viertelfinale: Andre Agassi (8)
- Roger Federer (1) 3:6 4:6 4:6
(Mehr Infos zu dieser Partie gibt es im Bericht zu Roger
Federer.)
Die grosse Affiche: Der Titelverteidiger und Weltranglistenerste Roger Federer trifft auf den vierfachen Australian Open-Champion Andre Agassi.
Agassi musste sich den Einzug ins Viertelfinale mit Siegen über Schüttler, Dent und J. Johansson erst verdienen. Federer hatte eine etwas einfachere Auslosung. Aber das es auch für den derzeit überlegenen Roger Federer ein spezieller Moment ist, den grossen Andre Agassi zu schlagen, dass erkennt man an seinem Siegesjubel auf Bild 3. Ich persönlich bezweifle, ob wir Andre Agassi nochmals in Australien wieder sehen werden. Aber beim 34-jährigen aus Las Vegas sollte man glücklicherweise niemals nie sagen.
Leider dauerte das Match nur etwas länger als eineinhalb Stunden, da der Schweizer bei eigenem Aufschlag einfach zu dominant war. Andre Agassi, eigentlich ein exzellenter Returnspieler, kam im gesamten Match zu lediglich vier Breakchancen, die Federer alle zu Nichte machen konnte. Dem Schweizer seinerseits gelang jeweils früh im Satz ein Servicedurchbruch, was ihn zu einem relativ ungefährdeten Sieg verhalf.
Leider konnte Agassi in dieser Partie mit dem
Aufschlag nicht so überzeugen wie zuvor. Nur ein Ass servierte der Achte der
Weltrangliste gegenüber 22 bei Federer. 13 Winner zu 20 unerzwungenen Fehlern
beim 34-jährigen. Der Schweizer steht unter anderem auch dank den vielen Assen
mit 46 Winnern gegenüber 31 unerzwungenen Fehlern besser da.
Nach dem Match gab es eine interessante Aussage von Federer im Interview. Er
sagte, dass man sehen konnte, wer der bessere Spieler von der Grundlinie
sei. Nämlich Agassi. Glücklicherweise habe er selbst sehr stark serviert. - Ich
persönlich würde sagen, auf der Grundlinie geht das Duell etwa unentschieden aus. Hätte
für Federers Sieg nämlich nur der Aufschlag den Ausschlag gegeben, dann wäre
auch schon in der Runde zuvor Johansson als Sieger vom Platz gegangen und
nicht Agassi.
Das Gelände des Melbourne Parks ist gross und es wird auch einiges für die Fans geboten. Die Mädels zum Beispiel standen beinahe stundenlang Schlange, um ins bei Garnier gratis Pflegeprodukte und Tipps abholen zu können. Ich meinerseits liess es mir nicht nehmen, bei American Express anzustehen, um eine Fotomontage zu erhalten. Ich mache mich ordentlich gut neben Andre, muss ich sagen. ;-)