Wimbledon 2022, London

zurück zur Übersicht         Last updated: 25.10.2022

Show Courts   -   Ruud, Fritz, Juvan-Haddad Maia, Kvitova, Gauff


The Queue
Am Sonntagabend trafen Michael und ich Tennisfreunde in der Queue. Richard und Phil verbringen dort wie in all den Jahren zuvor die nächsten zwei Wochen. Oft auch Lucy, aber sie hatte für Montag ebenfalls bereits Karten auf sicher. Ich holte mir bisher erst zweimal in meinem Leben via Queue eine Eintrittskarte für Wimbledon (2009 und 2017). Üblicherweise sicherte ich mir die Tickets über den Onlineverkauf, der jeweils tags zuvor um Punkt 9 Uhr morgens via Ticketmaster ablief. Das fand von 2007 bis 2019 statt und ich bekam von meinen Wimbledonfreunden den Übernamen "Magic Fingers", weil ich mich in Lichtgeschwindigkeit durch das Prozedere durchklickte und somit fast immer eines oder mehrere Paare der 1500 Eintrittskarten für Centre Court oder No. 3 Court ergattern konnte. War ich selber nicht mehr in Wimbledon, so kaufte ich so die Karten für meine Freunde. Das gibt es aber leider nicht mehr und somit kann ich den Ablauf hier auch erstmals beschreiben. In den letzten Jahren war die Zuteilung zur Warteschleife sowieso gerechter beziehungsweise zufälliger zugeteilt und meine Erfolgsquote geringer geworden. Aktuell gibt die Mitgliedschaft in der LTA (Lawn Tennis Association, dem britischen Tennisverband) immerhin die Chance auf ein Ticketpaar. Aber grundsätzlich möchte der All England Lawn Tennis Club dass pro Turnier jeder Zuschauer nur einen Tag dabei sein kann. So geben sie am meisten Personen die Möglichkeit um Wimbledon zu besuchen. Zudem konsumieren die Personen, welche nur einen Tag am Turnier sind, deutlich mehr an Verpflegung und an Souvenirs. Deswegen verlagert sich mein Besuch auch öfters bereits auf die Qualifikation und das Turnier in Eastbourne in der Woche davor, um die Tage in Wimbledon auf die wenigen Tage zu reduzieren, für die es wahrscheinlich ist an Eintrittskarten zu kommen. Die ersten Turniertage sind immer meine liebsten Tage und dort wäre ich bereits mit einem Grounds Pass ein überglücklicher Tennisfan.


Mo Casper Ruud (ATP 6) - Albert Ramos-Vinolas (ATP 39)   7:6 7:6 6:2
Court 12 war unsere Wahl für das erste Spiel am ersten Turniertag. Ich hatte in diesem Jahr schon so viel Tennis geschaut, dass ich in meiner Wahl etwas zurückstehen konnte so dass wir gemeinsam zum ersten Match konnten. Denn Türöffnung ist um 10 Uhr und die ersten Spiele starten um 11 Uhr. Oft teilen sich die Wege von mir und meiner Tennisfreunde aber schon dort aufgrund meiner unterschiedlichen Tennispräferenzen. Michael und ich konnten uns Sitzplätze auf der nur zwei Reihen fassenden Tribüne auf der Ostseite sichern.
Ruud ist frischer Roland Garros-Finalist und Ramos-Vinolas hatten wir im Fünfsatzkrimi gegen Alcaraz vor Monatsfrist gemeinsam in Paris gesehen. Somit war die Wahl naheliegend. Auch wenn die Sandplatzqualitäten von beiden Spielern deutlich höher einzuschätzen sind als diejenigen auf Rasen. Ich sah Potential für eine Überraschung, da der 34-jährige Spanier immerhin viel mehr Jahre an Erfahrung auf Rasen hat.
Doch der an Nummer drei gesetzte 23-jährige Norweger holte sich den ersten Satz mit 7:1 im Tie-Break letztendlich klar. Eine Regenunterbrechung hatte ihn nicht gestört. Mich schon eher. Denn ich ging optimistisch in den Tennistag. Kurze Hosen und T-Shirt angezogen, im Rucksack Sonnencreme mit dabei aber weder Pullover, Regenjacke noch Regenschirm. Im zweiten Tie-Break blieb Ramos-Vinolas der Gewinn des Satzes nach Hawk Eye-Konsultation um weniger als einen Zentimeter verwehrt. Die sehr enge Kurzentscheidung ging mit 11:9 an den Favoriten. Davon würde sich Ramos-Vinolas nicht mehr erholen. Als gleich nach dem Satzende der zweite Regenguss kam, da brachte ich mich nun genügend früh ins Trockene und setzte meinen Tennistag auf dem überdachten Centre Court fort, auf dem die Spiele jeweils erst um 13:30 Uhr beginnen.


Di Taylor Fritz (ATP 14) - Lorenzo Musetti (ATP 70)   6:4 6:4 6:3
Am Dienstag waren wir zur letzten Partie zurück auf Court 12. Michael hatte sich dort bereits Draper gegen Bergs angesehen. Ich war informiert dass er den Radar-Seat hatte (quasi da wo die Geschwindigkeitsmessung angebracht ist, weil es genau hinter dem Platz in der Verlängerung des Aufschlags ist. Nach dem Spiel des Briten verliessen viele Zuschauer die Ränge und ich kam dafür hinzu. Nach zwei Sätzen war die Sachlage ziemlich klar zu Gunsten des Eastbourne-Siegers und wir gingen weiter. Wir wollten zu Auger-Aliassime auf den No. 3 Court. Ich sah während des kurzen Anstehens aber dass Peterson auf Court 5 spielte und zweigte dann dorthin ab. Trotz meines ursprünglichen angedachten Billie Jean King Cup-Nichterscheinungsboykotts.


Mo Kaja Juvan (WTA 62) - Beatriz Haddad Maia (WTA 28)   6:4 4:6 6:2
Haddad Maia lag bereits mit Break 0:3 im Entscheidungssatz zurück als ich zu Court 12 kam. Da hatte die 26-jährige Brasilianerin so eine schöne Rasensaison mit dreizehn Matchgewinnen in Folge und den damit verbundenen Turniersiegen in Nottingham und Birmingham erlebt. Doch in den letzten beiden Matches in denen ich sie sah, da riss ihre Siegesserie in Eastbourne und nun sollte die Startrundenniederlage beim wichtigsten Tennisturnier der Welt folgen.
Auf der anderen Seite zeigte sich einmal mehr das grosse Talent der 21-jährigen Kaja Juvan. Ihr Aufstieg im Profitennis verläuft nicht gerade kometenartig und da sind auch immer wieder Niederlagen mit dabei, weil es gegen viele Gegnerinnen wohl auch schlichtweg an purer Feuerkraft fehlt. Aber sie hat "sehr gute Hände" und das mag ich sehr an ihr. Auch vom Typ her ist sie mir sehr sympathisch. Heute merkte man wirklich dass sie am kämpfen war und wie sehr sie es wollte (noch mehr als üblicherweise schon, da sie nie eine Partie laufen lässt). Aber dann trotzdem mal ein sarkastischer Blick oder Lächeln oder Worte zu ihrer Bank um das etwas zu durchbrechen.
Ich sass nicht in der Zweierreihe an der Tribüne rechts auf Court 12, weil ich von Wimbledon zum ersten Mal in meinem Leben belogen wurde. Der Steward dort meinte "we have reached full capacity" und liess mich nicht rein. Ich wusste dass das nicht stimmt und konnte es danach von oben auch sehen. Aber mein Beobachtungsplatz war dennoch ein guter.


Di Petra Kvitova (WTA 26) - Jasmine Paolini (WTA 72)   2:6 6:4 6:2
Einen sehr ungewöhnlichen Aussetzer hatte Kvitova während zehn Minuten im ersten Satz. Bei 2:5 und 15:0 servierte sie drei Doppelfehler in Folge. Es besiegelte alsbald den Abschluss von vier verlorenen Games in Folge von 2:2 zum glatten Satzverlust. Da war einfach das Gefühl weg. Es schien mir wie schlechter Biorhythmus oder einen schlechten Tag einzogen. Mit dem unmittelbaren Break zum 1:0 im zweiten Satz konnte die zweimalige Wimbledonsiegerin aber immerhin sofort anmelden dass sie noch da war und es ging auch etwas Druck vom Spielstand her weg. Eng wurde es einzig beim Break von Paolini zum 3:3. Das Spiel der Italienerin scheint auf Rasen gut zu funktionieren weil sie mit nur 160cm bis 163cm Körpergrösse (je nach Quelle) generell tief am Ball dran ist. Das habe ich bei vielen kleineren Spielerinnen festgestellt, denen dadurch ein natürlicher Vorteil für das Spiel auf Rasen entsteht. Sie müssen ja doch einige Nachteile zu kompensieren aufgrund der fehlenden Höhe. Die zwanzig Zentimeter grössere Eastbourne-Siegerin Kvitova konnte aber mit dem Re-Break zum 4:3 kontern.


Di Coco Gauff (WTA 12) - Elena-Gabriela Ruse (WTA 54)   2:6 6:3 7:5
Was zählt denn nun alles zu den im Titel beschriebenen Show Courts? Das sind die Stadien mit grösserer Zuschauerkapazität: Centre Court, No. 1 Court, No. 2 Court, No. 3 Court, Court 12 und Court 18. Für diesen Bericht habe ich den Centre Court und No. 1 Court (auf dem ich dieses Jahr nicht war) separiert. Für den No. 2 Court hatten wir am Dienstag einen festen Sitzplatz. Das heisst wir konnten an diesem Tag nicht auf den Centre Court oder den No. 1 Court. Auf dem No. 3 Court gibt es ebenfalls reservierte Sitzplätze, aber es ist das grösste Stadion in dem es auch einen Bereich mit freiem Zugang und freier Sitzplatzwahl gibt. Auf Court 12 und Court 18 ist dann alles freier Zugang.
Gauff gegen Ruse fand auf dem No. 2 Court statt. Ich hatte mir den zweiten Satz angesehen und war dann wieder von dannen gezogen. Kurz vor Ende bei 6:5 im dritten Satz ging ich dann nochmals rein. Die 18-jährige Roland Garros-Finalistin meinte im Platzinterview nach ihrem Sieg dass es ein gutes Spiel gewesen sei und sie mit ihrer Leistung zufrieden sei. Das kann man so sehen, muss man aber nicht... Das sie auf Rasen spielen kann hat sie Coco bewiesen als sie vor drei Jahren erstmals gross auf der Tennisbühne eingeschlagen ist. Als 15-jährige Qualifikantin knockte sie 2019 Venus Williams in der ersten Runde aus und kam bis in die vierte Runde. Auch 2021 hatte sie die vierte Runde erreicht. Und vor zwei Wochen war sie beim Vorbereitungsturnier in Berlin im Halbfinal.


Mi Harriet Dart (WTA 94) - Rebeka Masarova (WTA 146)   6:1 6:4
Als letzte Spielerin hat Rebeka die direkte Aufnahme ins Hauptfeld über die Weltranglistenklassierung geschafft. Erstmals in ihrer Karriere ist dies bei einem Grand Slam-Turnier der Fall. Man muss dazu allerdings gleich nachschicken, dass dies ohne den von Wimbledon verhängten Boykott der russischen und weissrussischen Spielerinnen bei weitem nicht gereicht hätte.
Im Spiel traf sie mit Dart auf eine Einheimische auf deren Lieblingsunterlage. Ich wollte soeben das gleiche schreiben wie oben bei Paolini, dass Dart aufgrund der fehlenden Körpergrösse immer schön tief am Ball war. Wobei ich habe bei der Recherche eben gesehen dass die 25-jährige doch 175cm gross ist. Aber sie hat sich sehr gut bewegt, die Bälle tief genommen und vor allem war sie vom Treffpunkt her immer sehr früh und natürlich am Schlag.
Rebeka kam an der Grundlinie nicht durch. Da war erst die zu häufigen Fehler. Danach versuchte den einen oder anderen Schlag mehr drinzubleiben und mitzuspielen, doch leider war die Sicherheit auch dort nicht vorhanden und das führt zu richtig vertrauensvernichtenden Fehlern. Nächster Plan war sehr schnell den Weg ans Netz zu suchen und dort abzuschliessen. Das führte zu einigen schönen Punktgewinnen. Generell konnte Dart die Angriffe aber aus ihrer auf Rasen grösseren Komfortzone parieren. Ich bin ja immer noch der Meinung das Rebeka das Australian Open-Endspiel der Juniorinnen (welches ich nur am TV gesehen hatte) gegen die erst 14-jährige Kostyuk damals im Jahr 2017 nur verloren hatte weil sie unbeirrbar fast ausnahmslos den Weg ans Netz gesucht hatte. Das Positive daraus im Verlauf einer Karriere ist, dass sie heutzutage sicher ist bei der Transition ans Netz um dort einen Punkt abschliessen zu können. Auf Sand kann sie da aber sicherlich mit mehr Spin angreifen, die Gegnerin etwas mehr aus dem Platz drängen und erhält so etwas mehr Zeit am Netz.
Im zweiten Satz bei 2:5 und eigenem Aufschlag setzte sie einen Angriffsball mit der Vorhand der Seitenlinie entlang aber wie auf Eiern ohne Zug im Schlag um zwei Meter zu lang ins Aus zum 0:30. Dart hatte schon davor eine gewisse Nervosität offenbart im Hinblick auf das Ende des Matches. Da waren wir noch zwei Punkte von der Niederlage entfernt und ich konnte mich mit einem "nöd so vorsichtig" nicht mehr zurückhalten und meldete mich erstmals zu Wort auch wenn Rebekas Team drei Meter unten rechts von mir auf der Zweiertribüne sass. Glücklicherweise lüftete sie nun den Kopf durch, lief ihren Arm wieder laufen und packte gleich mal wieder einige Hammeraufschläge aus. Bewegen und drauf gehen, was anderes blieb eh nicht mehr übrig.
Ich fand dann für das Returnspiel bei 3:5 noch dass sie versuchen solle sie Cross zu erwischen. Mal schauen ob es funktioniert. Bis dahin war sie im Spiel in den Crossduellen unterlegen, weil Dart schneller und schöner am Ball war und so den besseren Winkel spielen konnte. Grundsätzlich verfügen ja alle meine Lieblingsspielerinnen über Longlinegewinnschläge, weil das für mich Höhepunkt in einem Ballwechsel sind. Hier funktionierten die Longline aber nicht und Dart konnte ja dann ohnehin den Cross ins offene Feld ansezten. Insofern war jetzt auch die Gefahr nicht mehr so gross mit dem Cross den Punkt falsch zu lancieren. Einen schönen Angriffsball versenkte Rebeka Cross ins ungedeckte Feld. Der Rest vom Game lief spieltaktisch etwa unverändert ab. Aber die Spanierin verkürzte mit dem Break zum 4:5. Jetzt findet die Geschichte ein schnelles Ende. Masarova geriet auf der anderen Seite bei eigenem Aufschlag mit 0:40 in Rückstand. Sie kämpfte sich zurück. Dart verwandelte aber den fünften Matchball.

 

 Herren Einzel
 1. Runde  2. Runde  3. Runde  4. Runde  Viertelfinal
 Casper Ruud (5) -
 Albert Ramos-Vinolas
 7:6 7:6 6:2
 Ugo Humbert -
 Casper Ruud (5)
 3:6 6:2 7:5 6:4
 
 Taylor Fritz (11) -
 Lorenzo Musetti
 6:4 6:4 6:3
 Taylor Fritz (11) -
 Alastair Gray (W)
 6:3 7:6 6:3
 Taylor Fritz (11) -
 Alex Molcan
 6:4 6:1 7:6
 Taylor Fritz (11) -
 Jason Kubler (Q)
 6:3 6:1 6:4
 Rafael Nadal (2) -
 Taylor Fritz (11)
 3:6 7:5 3:6 7:5 7:6

 

 Damen Einzel
 1. Runde  2. Runde  3. Runde
 Harriet Dart -
 Rebeka Masarova
 6:1 6:4
 Jessica Pegula (8) -
 Harriet Dart
 4:6 6:3 6:1
 
 Petra Kvitova (25) -
 Jasmine Paolini
 2:6 6:4 6:2
 Petra Kvitova (25) -
 Ana Bogdan
 6:1 7:6
 Paola Badosa (4) -
 Petra Kvitova (25)
 7:5 7:6
 Coco Gauff (11) -
 Elena-Gabriela Ruse
 2:6 6:3 7:5
 Coco Gauff (11) -
 Mihaela Buzarnescu
 6:2 6:3
 Amanda Anisimova (20) -
 Coco Gauff (11)
 6:7 6:2 6:1
 Kaja Juvan -
 Beatriz Haddad Maia (23)
 6:4 4:6 6:2
 Kaja Juvan -
 Dalma Galfi
 7:5 6:3
 Heather Watson -
 Kaja Juvan
 7:6 6:2

 

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