WTA Portoroz 2022

zurück zur Übersicht         Last updated: 12.11.2022

WTA Portoroz   -   Siniakova-Trevisan, Rybakina-Siegemund, Juvan-Cornet, Paolini, Bucsa-Marcinko, Haddad Maia, Raducanu


Amriswil, Portoroz
Die Anmeldung für die 35+ R5/R6-Kategorie war zu verlockend. Ich gab den Thurgauer Tennis Seniorenmeisterschaften den Vorzug gegenüber dem jährlichen Männerausflug des Fibi-Vereins (Fibi = Feierabendbier). Falls ich früh ausscheiden würde, so könnte ich dort trotzdem noch teilnehmen. Dem war dann glücklicherweise nicht so und ich hatte die ersten zwei Runden vom Freitagabend am Samstagmorgen überstanden. Das Halbfinalspiel war am Samstagabend angesetzt. Würde ich hier verlieren (denn hier hatte ich eine 50:50-Siegchance), dann ginge es sofort ab nach Portoroz zur Qualifikation Bolkvadze-Vögele am Sonntag in Portoroz. Doch dann kam der Regen und mein Halbfinal wurde auf Sonntagmorgen verschoben. Ich fuhr noch nach Amriswil um mir mit eigenen Augen ein Bild zu machen, ob diese Verschiebung wirklich nötig gewesen war. Denn diese durchkreuzte meine Planung arg. Ich überlegte ob ich aus dem Turnier rausziehen und nach Portoroz fahren oder ob ich am Sonntag doch spielen sollte. Da es nach meinem Augenschein vor Ort nicht (komplett) an der Willkür der Organisatoren lag, entschied ich mich das Turnier weiter zu spielen. Ich durfte nun einfach nicht im Halbfinal verlieren. Das wäre das worst case Szenario gewesen und ich hätte mich sehr über meine Entscheidung geärgert. Ich bündelte also meine Energie und wollte mich nur auf mein Tennis konzentrieren und auf nichts links und rechts vom Platz. Glücklicherweise gewann ich sowohl das Halbfinal- wie auch das Finalspiel nach jeweils verlorenem Startsatz und insgesamt fünf Stunden Spielzeit an diesem Finalsonntag. Und das kollektive Feiern mit meinen Teamkollegen vom TC Frauenfeld (Rapa und Kim), der Frau eines weiteren Teamkollegens (Roberta) und meines früheren Teamkollegens vom TC Müllheim (Urs) war es definitiv wert. Denn wir alle wurden in unseren jeweiligen Alters- und Spielkategorien zu Thurgauermeistern! Das war schon aussergewöhnlich. Ich selber war zuvor noch nie zu Titelehren gekommen.
So hatte ich Portoroz (nach "falschem" Ausgang des Qualifikationsspiels dort) am Sonntagabend eigentlich abgeschrieben. Am Montagmorgen schlief ich aus. Wenn, dann hätte ich die Spiele am Montagabend mit Haddad Maia-Tauson und Raducanu-Yastremska am faszinierendsten gefunden. Doch die hätte ich nur bei ganz früher Abfahrt erreicht. Am späteren Montagvormittag änderte ich meine Meinung schlagartig und beschloss dass meine Reiseplanung mit ausgeklügelter Streckenführung und Matches wie Juvan-Cornet ab Dienstag Grund genug boten für einen zweiten Besuch beim Turnier in Portoroz nach zwölf Jahren Unterbruch. Sofort begann ich zu packen und brach auf.


WTA Portoroz
Das WTA-Turnier in Portoroz wurde zwischen den Jahren 2005 und 2010 im Juli ausgetragen. Erst seit 2021 ist es im September wieder im WTA-Turnierkalender zurückgekehrt. Da spielte wohl einerseits Corona mit hinein. Anderseits wohl der China-Boykott der WTA seit dem noch nicht gelösten Fall "Peng Shuai". Von August bis zum Saisonende hatte es im letzten Jahrzehnt jeweils nur die Turniere in Luxemburg und Linz im Oktober gegeben. Ansonsten war in Europa ein halbes Jahr lang kein WTA-Tennis zu sehen. Seit zwei Jahren nun ist der Turnierkalender im September und Oktober überraschend gut gefüllt mit europäischen Destinationen. Das ist aber wohl nur eine Situation auf Zeit.
Ein Grund mehr das Turnier in Portoroz in diesem Jahr zu besuchen so lange es auch ausgetragen wird. Der Eintritt während der ersten Turniertagen ist kostenlos! Erst für Freitag (5 Euro), Samstag (10 Euro) und Sonntag (15 Euro) wurde Eintritt verlangt.

Katerina SiniakovaMartina TrevisanMartina TrevisanKaterina SiniakovaHarriet Dart, Jodie Burrage
Katerina Siniakova (WTA 82) - Martina Trevisan (WTA 27)   6:1 6:4
Um 15:15 Uhr New Yorker Ortszeit wurde Siniakova am Sonntag zum ersten Mal US Open-Siegerin im Damen Doppel und komplettierte damit ihren Karriere-Grand Slam. Damit hat sie in diesem Jahr die Australian Open, Wimbledon sowie die US Open gewonnen und die Weltranglistenspitze erneut erklommen. Die weiteren ihrer sechs Grand Slam-Titel hatte sie in Roland Garros 2018 und 2021 sowie in Wimbledon 2018 errungen. Alle grossen Erfolge erspielte sich die 26-jährige mit ihrer gleichaltrigen tschechischen Landsfrau Krejcikova, mit der sie im Jahr 2013 bereits in der Doppelkonkurrenz der Juniorinnen in Roland Garros, Wimbledon und an den US Open triumphiert hatte.
15:15 Uhr in New York war somit 23:15 Uhr am Sonntagabend in Portoroz. Ich hatte gesehen dass Siniakova im Einzel im Hauptfeld von Portoroz aufgeführt war. Aber ich hielt es für unwahrscheinlich dass sie bis am Dienstagabend zur ersten Runde in Portoroz antreten würde. Doch sie trat an! Wobei das Spiel dann erst am Mittwochmorgen um 11 Uhr angesetzt war. Als einziges und letztes Spiel der ersten Runde. Es dürfte mit der Anreise der Tschechin zusammengehängt haben.
Wobei: Mit Jet Lag aus den USA angereist wäre ein Spiel am Dienstagabend sicherlich angenehmer gewesen für Siniakova, weil diese Zeit in New York dem Nachmittag entspricht. Nun spielte sie um 11 Uhr in Europa, was 5 Uhr morgens in New York bedeutet. Ich bin auch schon von den US Open in die Schweiz zurückgereist und ich weiss wie spät nachts ich jeweils erst einschlafen konnte und wie gerädert ich morgens und generell bei der Arbeit war. Bei meinem letzten Besuch 2019 fasste ich gar den Entschluss deswegen bis auf weiteres die US Open nicht mehr zu besuchen. So versetzte ich mich in Siniakovas Lage und litt mit ihr mit. Es war ihren Bewegungen zwischen den Punkten anzusehen.
Doch mit viel Willen setzte sie sich gegen die Sandplatzspezialistin Trevisan durch. Die 28-jährige Italienerin zeigte auch viel Willen. Ihre Emotionen konnte ich gut mitverfolgen (Bilder 6-7), da ihre Trainer gleich links vor mit sassen. Seit ihren letzten Erfolgen im Mai mit dem Turniersieg im marokkanischen Rabat und der Halbfinalqualifikation in Roland Garros musste Trevisan auf Rasen und Hartplatz aber unten durch. Zwei Niederlagen bei zwei Auftritten auf Rasen. Drei Niederlagen bei vier Auftritten auf Hartplatz.
Ich verfolgte nur vier Games im zweiten Satz vom 1:2 zum 4:3 für Siniakova. Danach priorisierte ich die vor einer Stunde gesehene Warnleuchte wegen zu wenig Kühlwasser an meinem Auto höher, verliess die Tennisanlage und füllte bei der nächsten Tankstelle nach.
Siniakova brachte nicht nur diese Partie nach Hause. In der nächsten Runde am Donnerstag schlug sie die Qualifikantin
Jodie Burrage (WTA 151). Die Britin hatte zusammen mit ihrer Landsfrau Harriet Dart (WTA 85) (Bild 12) das Spiel ihrer nächsten Gegnerin verfolgt. Am Freitagabend setzte vor der Begegnung Siniakova-Paolini der grosse Regen ein. Die anderen drei Viertelfinalspiele hatten absolviert werden können. Am Samstag um 16 Uhr konnte der Viertelfinal dann endlich stattfinden. Siniakova siegte 7:6 im dritten Satz. Nach etwas mehr als einer Stunde - und dem Blitzsieg von Rybakina in deren Halbfinalspiel - trat Siniakova zum Halbfinal gegen Siegemund an. Am Sonntagabend um 18 Uhr schliesslich bodigte Siniakova die Wimbledonsiegerin Rybakina nach 0:5-Rückstand im ersten Satz mit 6:7 7:6 6:4. Was für eine Willensleistung der Tschechin zu ihrem dritten WTA-Titel! Ihre bisherigen Titel hatte sie im Jahr 2017 in Bastad und Shenzhen errungen.

Elena RybakinaLaura SiegemundLaura SiegemundLaura SiegemundElena RybakinaElena Rybakina
Elena Rybakina (WTA 25) - Laura Siegemund (WTA 173)   6:7 6:4 7:6
Am Dienstagnachmittag war diese Begegnung tatsächlich noch im Gang als ich eintraf. Es war erst die zweite von fünf Partien am Dienstag auf dem Centre Court. Dennoch waren auf dem Centre Court bereits sechs Stunden an Spielzeit verstrichen, da auch Bogdan-Tomljanovic zuvor über die volle Distanz gegangen waren.
Siegemund war ganz ganz nahe am Erfolg gewesen. Diesen Frust bekam ihr Schläger am Ende des Spiel zu spüren (Bilder 14-16).
Bei Rybakina wertete ich die Einflussnahme ihres Trainers (Bild 13) eindeutig in die Kategorie "zu viel Information". Der kann sie doch nicht vor jedem Punkt vollquatschen. Sie ist eine sehr introvertierte Person von der man die Gemütslage kaum ablesen kann. Der Trainer hat wohl südländisches Temperament. Das heisst aber noch lange nicht dass er sie andauernd antreiben muss. Denn der innere Antrieb ist auch bei der introvertierten Rybakina sehr stark ausgeprägt.

Kaja JuvanKaja JuvanAlize CornetTamara ZidansekKaja Juvan, Alize Cornet
Kaja Juvan (WTA 72) - Alize Cornet (WTA 35)   7:6 6:3
Ich hatte einen guten Sitzplatz da in dieser Ecke keine Coaches oder Angehörige der Spielerinnen waren. Cornet rief im ersten Satz einmal "j'entends rien" zu ihrer einzigen Betreuerin auf die andere Stadionseite. Diese bemühte sich in der Folge des Spiels mit Klatschen und Unterstützungsrufen. Der übrige Teil des Publikums war natürlich für die Einheimische Juvan. Und die war so angespannt oder motiviert wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Denn normal schaut sie nie ins Publikum hinaus. Sie schaut zwar jeweils zu ihren Betreuern, aber ist fix in ihrer Spielwelt drin. Heute vor dem Heimpublikum sah man dass sie es unbedingt gut machen wollte und Energie von überall aufnahm. Aber diese musste sie auch in Spielstärke umwandeln können. Das gegen ein beinharte Konkurrentin wie Cornet.
Gleich zu Beginn zeichnete sich ab dass Cornet auf dem Rückhandcrossduell Vorteile hat. Nach mehrfachem Rückhandfehler von Juvan in den ersten Games liess ich mich bei 1:1 das dann zum 1:2 weggehen würde zu einem "Legs"-Ausruf hinreissen. Es war die Situation dass sie vor lauter Gedanken und Motivation ihren Körper nicht im Griff hatte und hier insbesondere die Beinarbeit fehlte. Da nutzte ich nun die Kombination mit der netten älteren Dame neben mir um da etwas Einfluss zu nehmen. Ich erklärte ihr laut genug "you have to work so hard against Cornet, harder than against every other opponent", so dass auch Kaja mithörte auf der Einstandseite. Als sie bei 1:4 zurück bei uns war und etwas besser ins Spiel kam, gab es bei 2:5 vor dem Gang zum Seitenwechsel noch direkt ein "yes, stay there, you're there, you're always there" mit. Und als sie dann endlich auch mental und resultatmässig im Match drin war und bei 4:5 zu uns zurück kam ein "stay in the tunnel". Da kam dann der eine oder andere Blick von ihr zu uns nach draussen im Verlauf der Partie. Von einer Spielerin die sonst nie nach draussen schaut. Ich war also voll dabei als ob es mein eigenes Spiel wäre. Die Fahrt zum Tennis hatte sich also definitiv gelohnt! Natürlich wurde sie auch von Dutzenden anderen Personen angefeuert und hilfreich unterstützt.
Die 21-jährige Slowenin fand die anspruchsvolle Mischung um von der Rückhand immer wieder aus dem Crossduell herauszukommen. Im zweiten Satz hielten beide Spielerinnen ihre Aufschläge. Erst bei 4:3 schaffte Juvan das einzige Break im zweiten Durchgang. Der Reaktion von Kaja nach dem Matchgewinn (Bilder 8-10) war anzusehen wie emotional gerädert sie von diesem Heimauftritt war und wie viel Herzblut sie hineingelegt hatte.
Cornet ist auf meiner Sympathieskala nicht allzu weit oben zu finden. Aber ich attestiere ihr dass sie auf dem Platz den Kampf immer mehr mit sich selber austrägt als dass sie die taktischen Mätzchen gegenüber der Gegnerin machen will. Ich denke das braucht die Französin einfach, dass sie sich selber Leiden sieht (auch wenn dem gar nicht so wäre), damit sie alles aus sich herausholen kann. Heute war dies während des Spiels nicht der Fall. Kein exzessives Schnaufen oder Andeutungen von Krämpfen oder ähnlichem. Dazu hätte es wohl einen dritten Satz benötigt. Vielmehr fand ich es heute sehr sympathisch wie die 32-jährige aus Nizza am Netz gratulierte. Cornet wirkt auf den Bildern irgendwie glücklicher als Juvan. Da konnte Cornet wohl nur zu gut nachfühlen wie sich Juvan für diese heutige Aufgabe völlig hingegeben hatte.

Tara WürthJasmine PaoliniJasmine Paolini
Jasmine Paolini (WTA 55) - Tara Würth (WTA 219)   7:5 6:1
Die 26-jährige Italienerin hat in ihrer Karriere bisher ein WTA-Turnier gewinnen können: 2021 in Portoroz. Sie ist also die Titelverteidigerin. Bei ihrem Erfolg im letzten Jahr hatte sie fünf Matches gewonnen und davon vier Spielerinnen geschlagen, welche zwischen Rang 38 und 53 der Weltrangliste klassiert waren und im Turnier die Setzlistenpositionen 2, 3, 4 und 6 eingenommen hatten. Es waren dies Putintseva, Cirstea, Riske-Amritraj und Yastremska. Ein wohlverdienter Erfolg also.
In diesem Jahr bodigte Paolini in der zweiten Runde Juvan mit einem 7:6 im dritten Satz. Bevor sie selbst im Viertelfinal mit einem 6:7 im dritten Satz an der späteren Turniersiegerin Siniakova scheiterte.

Tamara ZidansekTamara Zidansek
Tamara Zidansek (WTA 91) - Anastasia Zakharova (WTA 160)   6:4 6:4
Ich war überrascht über die starke Karrierebestplatzierung von Rang 22 diesen Februar für Zidansek. Das lag doch über meinen Erwartungen, lässt sich aber mit der tollen Halbfinalqualifikation in Roland Garros 2021 erklären. Aber seit Februar läuft es gar nicht mehr rund. Die 24-jährige Slowenin hat keine zwei Spiele in Folge mehr gewinnen können. Der Fall auf Weltranglistenposition 100 nach dieser Woche von Portoroz überrascht mich nun andererseits negativ, weil dies ebenfalls nicht ihrem Leistungsvermögen entspricht. Mindestens ein Dutzend Personen war in ihrer Ecke und unterstützen sie intensiv bei ihrem Heimturnier. Darunter auch der Billie Jean King Cup-Coach Sloweniens Andrej Krasevec (Bilder 6 und 8-9). Ich begrüsste ihn kurz und gab mich zu erkennen als einer der beiden die jeweils mit der Schweden-Flagge unterwegs sind beim BJK Cup. Da wusste er Bescheid. Ich konnte ihm ohne zu lügen aber auch sagen dass ich seine Spielerinnen mag und unterstütze. Nach dem ersten Satz verabschiedete ich mich aber und meinte dass ich Schlaf brauche und ich beim Spiel von Juvan bereits zu viel Energie gelassen hätte.
Von Anastasia Zakharova hatte ich bisher noch nie etwas gehört. Bei ihr sah das sehr athletisch aus und mir blieb in Erinnerung wie sie vor jedem Schlag immer einen sehr tiefen Körperschwerpunkt hatte indem sie vorbildlich in die Knie ging und in der Folge bei ihrem Schlag von unten nach oben Energie aus den Beinen generierte.

Petra Marcinko, Cristina BucsaCristina BucsaPetra MarcinkoCristina BucsaCristina BucsaPetra MarcinkoPetra MarcinkoPetra MarcinkoTamara ZidansekBeatriz Haddad Maia
Cristina Bucsa (WTA 110) - Petra Marcinko (WTA 301)   2:6 6:4 6:1
Auf diese Begegnung hatte ich mich auch gefreut. Vom Tagesplan her wollte ich zu diesem Match - dem dritten auf dem Centre Court am Dienstag - in Portoroz sein und danach würde ja Juvan-Cornet als mein Hauptspiel folgen. Mit Marcinko und Bucsa trafen zwei junge Spielerinnen aufeinander. Wobei das nüchtern betrachtet nur auf die 16-jährige Marcinko zutrifft. Denn Bucsa ist bereits 24 Jahre alt. Sie wirkt aber jünger und vor diesem Sommer hatte ich noch nie von ihr gehört. Daher gehören sie für mich beide in die Kategorie jung und aufsteigend. Marcinko hatte zudem als Kroatin in Slowenien (auf Bild 7 sogar vor der entsprechenden Werbebande) ein kleines Heimspiel. Ich klatschte deshalb auch für Bucsa wenn sie auf meiner Seite war, denn ich mag es nicht wenn jemand gar keinen Applaus erhält. Ich wollte auch sehen ob sie im zweiten Satz besser in die Partie hineinkommen konnte. Und da drehte sich die Partie dann tatsächlich.
Die mit einer Wild Card ausgestattete Kroatin blickte zwischen jedem Punkt nach draussen zu ihren Betreuern, welche gleich rechts vor mir sassen. Sie scheint durchaus über Variabilität in ihrem Spiel zu verfügen, aber setzte diese noch nicht effektiv ein. Auf den ersten Blick sieht man sie und denkt sich sie mache alles mit stabilen Grundlinienschlägen und müsse noch an ihrer Physis arbeiten. Doch ich denke die Situation ist weit tiefgründiger. Auch konnte sie im dritten Satz nicht nochmals eins drauflegen. Die Zuschauerin neben mir meinte sie müsse an ihrer Einstellung arbeiten, denn sie habe das Spiel hergegeben. Ich fand das nicht. Es war für heute einfach ein gewisses Limit erreicht und Marcinko fand keinen Ausweg mehr. In so einer Situation wirkt die introvertierte Bucsa dann auch sehr unnahbar und motorisch von ihren Abläufen und Emotionen. Da gibt die Spanierin der Kroatin wenig Angriffsfläche um ins Spiel zurückzukommen. Bei Bucsa möchte ich hervorheben dass sie am Netz einen gefühlvollen und natürlichen Treffpunkt beim Volley hat.

Beatriz Haddad MaiaCristina BucsaBeatriz Haddad Maia
Beatriz Haddad Maia (WTA 18) - Cristina Bucsa (WTA 110)   6:1 6:4
Als ich die Centre Court verliess nach diesem letzten Match am Mittwoch schoss es mir in den Kopf: Das muss ihr Vater gewesen sein.
Folgendes hatte ich mitverfolgt: Ich war erst anfangs des zweiten Satzes gekommen. Gleich rechts oben von mir sass der Trainer von Bucsa. Er machte unaufhaltsam Notizen in seinem Ringheft. Wenn Bucsa auf unserer Seite war, teilte er ihr sehr viele Informationen mit. Viel zu viele für meinen Geschmack. Etwas rechts vor mir sassen drei Zuschauer die Bucsa unterstützen. Sie waren gebürtige Rumänen und hatten auch gehört dass der Trainer mit seiner Spielerin rumänisch sprach. Sie sprachen ihn an ob sie Rumänin sei. Er verneinte und sagte dass sie Spanierin sei. Etwas später und auf Nachfrage ergänzte er dass sie ursprünglich aus Moldawien komme. Ich war überrascht dass der Trainer mit ihr rumänisch und dann auch wieder spanisch sprach. Aber eben, am Schluss machte es Klick und der Trainer beherrschte die gleichen Sprachen weil er ihr Vater war... Nachdem er sie zuvor vollgetextet und sie den Faden verloren hatte, meinte er dann als sie beim nächsten Mal auf unserer Seite war sie solle "un poco de energia" aufbringen und fragte "estas muerta?". Er fragte sie tatsächlich ob sie etwa tot sei. Das war dann der Punkt an der bei mir die Grenze erreicht war in meiner Beurteilung seiner Leistung. Das ist dasselbe wie tags zuvor mit Rybakina. Bloss weil es sich um introvertierte Spielerinnen handelt, muss man nicht meinen dass man sie von aussen wie mit der Peitsche bei einem Pferd angehen muss. Beim verlorenen Matchball gab es einen grossen Knall hinter mir, weil ihr Trainer voller Wut sein Ringheft mitsamt Kugelschreiber auf den Tribünenboden knallte. Leider ist nur der Schreiber zwischen der Tribüne hinuntergefallen und nicht das Heft. Busca ist auf Rang 110 so gut klassiert wie noch nie und hatte sich als Qualifikantin gegen die Nummer 18 der Welt sehr gut verkauft. Ich verstehe die Reaktion des Trainers wirklich nicht. Aber eben, einige Sekunden später beim Herauslaufen machte es Klick bei mir. Das war nicht nur der Trainer. Das war ihr Vater. Aber das Verhalten bleibt für mich immer noch nicht nachvollziehbar. Auch oder gerade weil er grundsätzlich einen ganz umgänglichen Eindruck machte.
Haddad Maia gehört in die Kategorie der Spielerinnen, denen ich gerne zuschauen würde, aber bei denen mir dann doch der Zugang fehlt wenn ich am Spielfeldrand sitze oder den Fernseher einschalte. Die 26-jährige Linkshänderin aus Brasilien steht während des Spiels so unter Strom, dass ich an ihrer Gefühlswelt nicht teilnehmen kann. Ein Stöhnen bei jedem Schlag. Ein lautes "Forza" nach jedem Punktgewinn. Stramme Schritte zwischen den Punkten. Geballte Faust um im Tunnel zu bleiben. Dennoch freut mich ihre Entwicklung in diesem Jahr und es tut der WTA sicherlich auch gut eine Spielerin aus Südamerika zu haben, die zu den besten zwanzig Tennisspielerinnen der Welt gehört und bei Grand Slam-Turnieren zum erweiterten Favoritenkreis gezählt werden kann.

Elizabeth MandlikElizabeth MandlikElizabeth MandlikAnna-Lena Friedsam
Anna-Lena Friedsam (WTA 213) - Elizabeth Mandlik (WTA 124)   0:6 6:4 6:1
Mit der US Open Series und den US Open wurde ich erstmals auf die 21-jährige Mandlik aufmerksam. Sie ist die Tochter der ehemaligen tschechoslowakischen Spielerin Hana Mandlikova, die drei Grand Slam-Turniere im Einzel gewann. Die WTA Biografie sagt mir dass Mandlikova eine Australierin ist. Kurz auf Wikipedia recherchiert: Sie hatte in den 1980er-Jahren einen Australier geheiratet, zwei Jahre später die australische Staatsbürgerschaft erhalten und sich alsbald scheiden lassen. Heute lebt sie mit ihrer Lebensgefährtin in Florida. Ihre Zwillinge gebar sie kurz vor bevor sie vierzigjährig wurde. Die Mutter ist auch die Trainerin ihrer Tochter. In Florida aufgewachsen fühlt sich Mandlik sicherlich auf Hartplatz wohl.
Ich verfolgte wenige Punkte zum Ende des zweiten Satzes mit Rückhandsliceduellen. Die erfahrene Friedsam behielt die Oberhand. Auch wenn ich den dritten Satz nicht mehr sah, so glaube ich nicht dass da ein physisches Problem bei Mandlik vorhanden war. Vielmehr war es wohl so dass die deutsche Qualifikantin der amerikanischen Wild Card-Spielerin über den Verlauf der Partie hindurch den Zahn gezogen hatte.


Emma Raducanu (WTA 83)
Ja, ich hatte mir nicht grössere Mühe gegeben um ein nicht verschwommenes Bild von Raducanu knipsen zu können. Respektive ich wollte auch nicht so offensichtlich an den Zaun stehen und zwischendurch fotografieren. Auf der Anlage ging die Britin mit rumänischen und chinesischen Wurzeln zweimal an mir vorbei und es ist schon interessant zu beobachten wie neben mir immer Leute waren die ganz fasziniert vereinnahmt von ihr waren. "There's something about Emma", konstatierte ich.
Auf WTA-Niveau (250er bis 1000er Turniere) hat die 19-jährige in ihrer Karriere bisher 11 Siege bei 16 Niederlagen erzielt. Ihre aktuelle Weltranglistenposition von Rang 83 entspräche dieser Entwicklung. Nur hatte sie natürlich ohne je ein WTA-Match gewonnen zu haben in 2021 mit einer Wild Card die vierte Runde in Wimbledon erreicht und danach als Qualifikantin die US Open gewonnen! Deshalb stand sie bis am Sonntag noch auf Weltranglistenposition 11. Seit Montag ist sie mit dem Herausfallen der Punkte von den US Open 2021 auf Rang 83 abgerutscht. Die Auslosung für das WTA Turnier in Portoroz wurde aber am Sonntagabend vorgenommen. Deshalb ist Raducanu bei diesem Turnier noch an Nummer 1 gesetzt. Mit der neuen Klassierung hätte sie es nicht mehr auf die Setzliste geschafft. Daher beurteile ich ihre Resultate nicht ausschliesslich wie diejenige einer Major-Siegerin, sondern auch als diejenige einer aufstrebenden 19-jährigen Tennisspielerin. Sie wartet noch auf ihren ersten Sieg über eine Top 10-Spielerin. Gegen Spielerinnen aus den Top 40 hat sie immerhin schon drei Matchgewinne erzielt: Bencic (damals WTA 12) und Sakkari (18) an den US Open 2021 sowie letzten Monat Azarenka (22) in Cincinnati 2022.

Lesia TsurenkoLesia TsurenkoLesia TsurenkoEkaterina AlexandrovaEkaterina AlexandrovaEkaterina AlexandrovaEkaterina Alexandrova
Lesia Tsurenko (WTA 92) - Ekaterina Alexandrova (WTA 24)   7:5 7:6
So ein Tsurenko-Alexandrova Aufeinandertreffen ist schon sehr viel Robotertennis. Ich schaute mir zwei Games davon an. Der Trainer von Tsurenko fiel mit unglaublich lautem Applaudieren auf. Der Vergleich mag etwas hinken, aber ich bekam bei seinem übermässig lauten Klatschen und seinen Rufen das Gefühl als ob hier die Ukraine gegen Russland spielen würde.


WTA Portoroz
Am Donnerstagmorgen stand ich zehn Minuten vor Spielbeginn zwar vor dem Tennisstadion. Der Eintritt war bis und mit Donnerstag ja ohnehin noch kostenlos. Doch nach meiner Bewertung von Spielreihenfolge, dunkler Wolken und bevorstehender Rückfahrt, nahm ich diese direkt in Angriff.

 

 Einzel
 1. Runde  2. Runde  Viertelfinal  Halbfinal  Final
 Emma Raducanu (1, W) -
 Dayana Yastremska
 6:2 5:3 ret.
 Anna-Lena Friedsam (Q) -
 Emma Raducanu (1, W)
 7:5 0:6 6:3
 Anna-Lena Friedsam (Q) -
 Diane Parry
 1:6 7:6 6:3
 Katerina Siniakova -
 Anna-Lena Friedsam (Q)
 6:1 7:5
 Katerina Siniakova -
 Elena Rybakina (3)
 6:7 7:6 6:4
 Anna-Lena Friedsam (Q) -
 Elizabeth Mandlik (W)
 0:6 6:4 6:1
 Diane Parry -
 Donna Vekic
 2:6 6:4 6:1
 Diane Parry -
 Anastasia Potapova (9)
 7:6 6:4
 Anastasia Potapova (9) -
 Claire Liu
 6:4 7:6
 Katerina Siniakova -
 Martina Trevisan (4)
 6:1 6:4
 Katerina Siniakova -
 Jodie Burrage (Q)
 7:5 6:1
 Katerina Siniakova -
 Jasmine Paolini
 6:2 3:6 7:6
 Jodie Burrage (Q) -
 Aleksandra Krunic
 6:4 6:4
 
 Jasmine Paolini -
 Tara Würth (Q)
 7:5 6:1
 
 Jasmine Paolini -
 Kaja Juvan
 5:7 6:2 7:6
 Kaja Juvan -
 Alize Cornet (6)
 7:6 6:3
 
 Ekaterina Alexandrova (5) -
 Marta Kostyuk
 7:6 5:7 7:5
  
 Lesia Tsurenko -
 Ekaterina Alexandrova (5)
 7:5 7:6
 Elena Rybakina (3) -
 Lesia Tsurenko
 w.o.
 Elena Rybakina (3) -
 Ana Bogdan
 6:1 6:1
 Lesia Tsurenko -
 Elena-Gabriela Ruse (Q)
 6:1 4:6 6:4
  
 Tereza Martincova -
 Harriet Dart (L)
 0:6 6:4 6:1
  
 Elena Rybakina (3) -
 Tereza Martincova
 6:4 6:1
 Elena Rybakina (3) -
 Laura Siegemund
 6:7 6:4 7:6
 
 Ana Bogdan -
 Ajla Tomljanovic (8) -
 7:5 4:6 6:1
  
 Ana Bogdan -
 Tamara Zidansek
 6:1 6:7 6:1
 Ana Bogdan -
 Beatriz Haddad Maia (2)
 6:1 1:6 7:5
 Tamara Zidansek -
 Anastasia Zakharova (Q)
 6:4 6:4
  
 Cristina Bucsa (Q) -
 Petra Marcinko (W)
 2:6 6:4 6:1
   
 Beatriz Haddad Maia (2) -
 Cristina Bucsa (Q)
 6:1 6:4
 Beatriz Haddad Maia (2) -
 Clara Tauson
 7:6 6:3
    

 

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