Georgien 2021 |
zurück zur Übersicht Last updated: 17.05.2021 |
Achalziche - Chulo - Batumi - Kobuleti - Kutaisi 520km, 12h, 31. März 2021 |
Achalziche
Diese Strecke hatte ich schon seit einigen Tagen als Königsetappe angekündigt
und eine Abfahrt vor 7 Uhr morgens gefordert. Um 6:55 Uhr waren wir dann auch
bereit. Ich wollte aber nochmals kurz zur Festung hoch, da am Vortrag das Bild
als Andenken nicht nach meinen Vorstellungen in den richtigen Rahmen gesetzt
worden war. Wir gingen dann auch noch durch den Westteil. Da befanden sich im
Laufe der Jahrhunderte ja Moscheen, Synagogen und Kirchen... So früh am Morgen
stand bei frostigen Temperaturen sogar schon ein Mann vom Sicherheitspersonal
dort. Einlass in den Adelspalast wird erst ab 10 Uhr gewährt, teilte er uns mit.
Was ich auch feststellte: Die Europäische Union stellt Geld für den Erhalt oder
Wiederherstellung kultureller Güter zur Verfügung. Die Festungsanlage beherbergt
heute anscheinend auch noch eine höhere Bildungsanstalt. Die Chinesen hingegen
investieren dort, wo es um Rohstoffe oder Infrastruktur geht.
Da kannst du nur noch beten
Persönliche Interpretation von Bild 9, bereits zum Zeitpunkt des Fotografierens: Das Kreuz an der
Verzweigung symbolisiert dem Reisenden, dass ab hier nur noch beten hilft.
Goderzi Pass Ostseite
Ab der oben abgebildeten Verzweigung bis auf den Goderzi Pass sind wir keiner
Menschenseele begegnet. Diese Seite des Passes scheint niemand zu befahren. Auch
unser Navigationssystem schlug für den Weg nach Chulo einen hunderte Kilometer
langen Umweg als beste Reiseroute vor. Quasi zuerst ans Ziel nach Kutaisi fahren
und vom Ziel aus die heutige Etappe in umgekehrter Richtung bis nach Chulo
fahren. Ich hatte vorher nochmals die Georgien-Dokumentationen angesehen, denn
sowohl Ville Haapasalo wie auch Julia Finkernagel waren beide in Chulo gewesen.
Ville fuhr beide Wege aussen herum. Julia fuhr den Rückweg von West nach Ost
über den Goderzi Pass, allerdings Ende April oder anfangs Mai.
Sehr angenehm fand ich während der ganzen motorisierten Bergerklimmung, dass wir
nie nahe am Abgrund fahren mussten oder die Strasse zum Abhang hin abgefallen
wäre. Da hätte ich wohl irgendwann kalte Füsse gekriegt. Die Wasserfurt auf den
Bildern 4 und 5 sah zwar zu Beginn kritisch aus, war nach Inspektion aber machbar und bei
Durchfahrt letztendlich eines der geringsten Hindernisse am gesamten Pass.
Goderzi Pass Ostseite
Der Mitarbeiter bei der Mietwagenübergabe hatte uns gesagt, dass wir am ersten
Tag nicht via Rustawi nach Davit Garetscha fahren könnten und hatte recht damit. Als ich ihm
von unserer Fahrt Achalziche-Chulo-Batumi erzählte, meinte er allerdings nur
dass die Strassen dort schlecht seien und wir eventuell nicht durchkommen würden
wegen Steinschlag. Er sagte aber nicht dass es nicht ginge. Auch die Vermieterin
des Hotelzimmers am Vortag hatte nicht besonders reagiert, als ich von unserer
Weiterfahrt nach Chulo erzählte. Deshalb wollte ich es definitiv versuchen.
Immerhin hatte ich extra einen SUV gemietet...
Goderzi Pass
Uns war auf der gesamten Reise fahrtechnisch sicherlich entgegengekommen, dass
es wohl seit längerer Zeit nicht mehr geregnet hatte. In höheren Lage hatte es
eventuell leicht geschneit. Grundsätzlich war der Boden aber trocken und fest
und somit gut befahrbar. Bei matschigen Bedingungen wäre ein Durchkommen
unmöglich gewesen. Was mir am Goderzi Pass erneut auffiel, war der sehr starke
Wind. Auf der Passhöhe war das natürlich extrem, aber ich denke auch für die
restlichen Skigebiete in Georgien könnte der Wind ein grosses Hindernis sein um
sich zu etablieren. Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang 2018 in Südkorea
zum Beispiel waren der Image-Killer bei jedem potentiellen Skitouristen, weil
sich die klimatische Lage dort als eiskalt und zu windig gezeigt hat.
Aber für mich war der Goderzi Pass natürlich ein wahrer Höhepunkt. Wir hatten es
tatsächlich geschafft!!!
Goderzi Pass Westseite
Ich war perplex auf der Westseite des Passes Gondeln und ein Skiresort zu sehen.
Von der anderen Seite her müsste es verkehrstechnisch also besser erschlossen
sein, denn sonst würde sich ja nie jemand hierher verirren. Das machte mich
hoffnungsvoll für die Abfahrt. Allerdings scheint es an der Westseite mehr
geschneit zu haben und die Strasse war steiler. Auf dieser Seite wären wir nicht
hoch gekommen!
Uns kam wenige hundert Meter vom Pass entfernt ein Georgier entgegen, der uns
anzeigte, dass es etwas weiter unten nicht mehr weiter ginge. Ich kann ja auch
kein Russisch (bis auf ganz wenige Brocken), aber der konnte nicht mal
Russisch!? Ich erklärte ihm dass wir heute bereits von Achalziche bis hierher
gekommen waren mit unserem Fahrzeug. Er war etwas beeindruckt und wir fuhren mal
unbeirrt weiter. Kurz darauf sahen wir aber eine Schneeverwehung, welche die
Strasse blockierte und somit auch den entgegenkommenden Lieferwagen des
Georgiers gestoppt hatte. Aber wenn er es mit dem Lieferwagen bis hier hoch
geschafft hatte, dann würden wir es auch bis hinunter schaffen. Es musste nur
noch erst der Schnee von der Strasse weg. Ich zog die blaue Winterjacke und die
winterfesten Schuhe an und erhielt von Roland ein Paar Fäustlinge und machte
mich ans Werk. Seit der Biwakierübung "Asperule" am 3.9.2001 in der
Rekrutenschule in einem Wald im Zürcher Unterland, als Roland und ich im
gleichen Zweier-Biwak übernachteten, ist die Rollenverteilung in solchen
Situation klar. Bei Überlebensübungen gehe ich voran, auch wenn ich jetzt nicht
der geborene Handwerker oder Naturbursche bin.
Ein zweites Fahrzeug stiess hinzu, was Vor- und Nachteile hatte. Der Vorteil
war, dass er eine Schaufel mit dabei hatte und wir mehr Leute zum Schieben
waren. Der Nachteil war, dass mehr Fahrzeuge zu kreuzen waren und vor allem dass
er auf eine Weiterfahrt drängte und unser Mietwagen deshalb kurz danach im
Schnee feststeckte, weil noch nicht alles freigeräumt war. Wir konnten aber
alles beheben und ich drückte den Fahrern beider Fahrzeuge je eine Schweizer
Schokolade in Hand als Dankeschön.
Goderzi Pass Westseite
Zweimal mussten wir in der Folge noch kreuzen, da auf dieser Bergseite mehr
Verkehr herrschte. Zuerst mit der Polizei, welche dem immer noch festsitzenden
Lieferwagen weiter oben zur Hilfe kam. Dann nochmals mit einem Einheimischen.
Während ich mit einem alten Mann unser Fahrzeug noch etwas rückwärts und auf die
Seite schob, stellte ich fest, dass irgendetwas unter unserem Fahrzeug herunter
hing und beim Rückwärtsfahren weggeknickt wurde. In der Folge zeigten in den
nächsten Dörfern beim Vorbeifahren auch einige Leute am Wegrand auf unseren
Unterboden.
Diese Gegend war die einzige, in welcher wir Moscheen sahen. Je mehr sich eine
Volksgruppe in einer abgelegenen Gegend befindet oder dorthin flüchtet, desto
höher ist die Chance dass sie dort ihre Kultur weiter bewahren und ausleben
kann. So kam es uns zumindest vor.
Chulo
Unmittelbar vor Chulo kamen wir endlich wieder auf eine asphaltierte Strasse.
Wir hatten auf die Uhr und den Kilometerzähler geschaut. Wir benötigten von 8:08
Uhr bis 12:55 Uhr für die 71 unasphaltierten Kilometer. Die 4h 47min ergeben
somit ein Mittel von 15km/h, was in der Nachbetrachtung inklusive Schnee buddeln
als durchaus realistisch erscheint.
In Chulo fährt eine Gondel zum Dorf am gegenüberliegenden Hang. Sowohl Julia als
auch Ville fuhren damit. Wir sahen leider nur die Stahlseile, aber keine Gondel.
Etwas enttäuscht war ich, dass mittlerweile bereits ein "Tourist Information
Center" neben der Gondelstation aufgebaut war, nachdem wir uns doch soeben
stundenlang durch völlig untouristisches Gebiet gekämpft hatten.
Dandalo Brücke
Für zeitraubendes Herumgondeln in Chulo wäre nach der zeitaufwändigen
Streckenbewältigung bis hierhin ohnehin keine Möglichkeit mehr gewesen. Denn von
Chulo bis an unseren Zielort Kutaisi waren es noch fast 250 Kilometer und mehr
als vier Stunden Fahrzeit. Doch nach den heutigen Erlebnissen wussten wir ja
nicht, ob wir dieser Zeitangabe vertrauen könnten. Roland überredete mich zu
einem Halt für ein Mittagessen. Erstaunlicherweise war die Strassenqualität ab
Chulo aber wieder wunderbar.
Die Vegetation war hier im Süden beider Kaukasus-Bergketten und immer tiefer
fallend bis auf Meereshöhe schon viel weiter und grüner als in den anderen
Landesteilen. Hier war es wohl auch als der Ville von der "schwarzen
mineralhaltigen Erde, in der einfach alles wächst" schwärmte, als er auf seiner
Sommerreise war.
Batumi
Auf der heutigen Reiseetappe wäre ich gerne rein aus Interesse zwanzig Kilometer
südlich von Batumi an der Grenze in der Stadt Sarpi (Georgien) - gegenüber der
Stadt Sarp (Türkei) - Essen gegangen, wenn wir nun doch schon so oft nahe von
Landesgrenzen waren. Es war aber schon Nachmittag als wir in Batumi eintrafen
und wir verzichteten auf den Abstecher.
Batumi
Die Hafenstadt Batumi hat in Hotelkomplexe investiert und eine nette
Strandpromenade. Der Immobilienboom zeigt, dass Kapital Kapital anzieht. So wird
in Georgien schon investiert, einfach sehr konzentriert. Wir waren nun schon
einige Tage unterwegs und mit diesem Geld könnte man in anderen Regionen
Substanzielles aufbauen. Ich bin wohl ein zu individueller Typ um mich an einem
Boom erfreuen zu können. Aber hier gilt wohl auch: "the trend is your friend".
Kobuleti
Beim Abstecher nach Kobuleti fand ich dann wieder ein schönes Plätzchen. Den
Ferienort Kobuleti am Schwarzen Meer fand ich so viel sympathischer als Batumi.
Kurz danach blieben wir in einer Polizeikontrolle hängen. In Georgien ist sehr
viel Polizei unterwegs. Ähnlich wie in den USA. Die Polizei stoppte uns wohl
genau heute, weil unser Auto nach der Königsetappe voller Staub und Dreck war.
Erst wollte der Polizist die Papiere sehen. Dann kam die Alkoholkontrolle dran.
Und dann wurde es etwas skuril, denn es gibt wohl genügend Gesetzte, damit die
Polizei immer irgendetwas findet. Unser Mietwagen hatte getönte Scheiben und die
Seitenscheibe wies nicht die nötige Scheibendicke auf, welche für eine getönte
Scheibe vorgeschrieben ist. Immerhin darf die Polizei wohl aus
Korruptionsgründen kein Bargeld einkassieren oder direkt von der Kreditkarte
abbuchen. Sie stellen einen Bussenzettel aus und dieser kann anschliessend an
den Automaten, welche überall in der Öffentlichkeit platziert sind, bezahlt
werden. Diese Automaten lassen übrigens sehr viele Transaktionen eines "e-Government"
zu. Ich leitete die Busse an die Mietwagenfirma weiter, da sich diese auf
das Fahrzeug und nicht auf den Fahrer bezog. Aber dass die Polizei nicht bemerkt
hatte, dass die Plastikabdeckung unseres Unterbodens pausenlos und auffällig
entlang der Strasse schleifte, das verwunderte mich dann doch sehr...
Kutaisi
Wir schafften unsere Königsetappe doch noch weit vor Beginn der nächtlichen
Ausgangssperre dank Abschnitten mit Autobahn und fuhren in Kutaisi ein, dem Geburtsort von Katie Melua.