WTA Palermo 2019

zurück zur Übersicht         Last updated: 31.08.2022

La Cocciaretto - Meine Neuentdeckung

Elisabetta CocciarettoElisabetta CocciarettoElisabetta CocciarettoConny PerrinConny Perrin
Elisabetta Cocciaretto (WTA 666) - Conny Perrin (WTA 171)   3:6 6:3 7:6
Der früheste Spielbeginn ist mit 16 Uhr für Spielerinnen und Zuschauer doch noch recht heiss in der Nachmittagshitze. Ich verfolgte die Resultatentwicklung der Partie in meiner sonnengeschützten Unterkunft und als die Fahrer der Tour de France das Ziel auf dem Col du Tourmalet erreicht hatten, verschob ich mich vom TV-Gerät mit einem knapp zehn minütigen Spaziergang zu den Palermo Tennis Open. Nach einem erstmaligen Rundgang über die Anlage war ich bei Court 2 angelangt und entschied mich für einen Sitzplatz auf dem Padel-Court hinter Gitter und Plexiglasscheibe anstelle eines Stehplatzes mit geringer Bewegungsfreiheit oder einem Stehplatz in der prallen Sonne.
Es kamen bei mir Erinnerungen an Acapulco im Februar auf, denn auch dort hatte Perrin gegen einheimische Wild Card-Gegnerinnen in der Hitze zu viele Kräfte gelassen. Und es kamen bei mir Erinnerungen an Lausanne von vor vier Tagen auf, denn dort hatte ich Perrin kurz durch Bäume und Sträucher hindurch beobachtet und nun schränkten Gitter und Scheiben die Sicht ein.
Ich war vom Spiel und der Einstellung der 18-jährigen Cocciaretto angetan, die als junge Spielerin bei ihrer ersten WTA-Qualifikation und mit einem italienischen Temperament ausgestattet bei diesem kräfteraubenden Spiel sehr konzentriert und ambitioniert blieb. Sie konnte Perrin mit ihren harten Schlägen zusetzen und suchte auch den erfolgreichen Weg ans Netz. Mit 9 erfolgreichen Breakbällen bei 9 Versuchen war Cocciaretto sehr effizient. Perrin war 9 mal erfolgreich aus 21 Versuchen. Eine Lektion in Regelkunde gab es allerdings für die junge Italienerin. Sie hatte sich vor dem Return zu lange Zeit gelassen um bereit zu sein und erhielt eine Verwarnung. Darauf entgegnete sie, dass die Shot Clock aber noch gar nicht abgelaufen sei. Die Schiedsrichterin sagte, dass sie aber wisse dass sie sich am Rhythmus der Aufschlägerin orientieren müsse und diese schon lange bereit gewesen sei.
Im dritten Satz lag Cocciaretto dann allerdings mit 1:4 zurück, vornehmlich durch Eigenfehler zu Beginn des finalen Durchgangs. Mit eigenen Mitteln kämpfte sie sich zum 3:4 zurück und verlangte beim Seitenwechsel nach ihrem Coach. Dieser riet ihr wohl, dass sie auf beiden Seiten in den Crossduellen bleiben soll da sie dort mit ihren harten Schlägen die Oberhand gewinnen würde. Das machte insofern Sinn, dass wenn Perrin die Richtung wechseln würde zu einem Longline, Cocciaretto mit ihrem darauffolgenden Crossball den Weg für die 28-jährige Schweizerin lang machen kann. Auch der Weg um mehrere Crossbälle nacheinander auszugraben, kann sehr weit sein und weh tun. Die nächsten zwei Games gingen mit dieser Taktik zum 5:4 an die Italienerin. Danach gestaltete sich die taktische Marschrichtung wieder etwas offener und die Tie-Break entschied schliesslich über den Sieg.

Anna Bondar
Jaime Fourlis (WTA 284) - Anna Bondar (WTA 193)   7:5 4:6 7:6   (Bild 1)
Georgina Garcia Perez (WTA 215) - Federica Rossi (WTA 734)   6:0 5:7 7:5   (Bilder 2-4)
Sieben Spiele der ersten Qualifikationsrunde endeten zumeist klar in zwei Sätzen. Von diesen Partien habe ich keine Bilder. Fünf Spiele allerdings gingen über drei Sätze und endeten 6:4, 7:5 oder 7:6. Im Spiel zwischen der Australierin Fourlis und der Ungarin Bondar musste der Tie-Break mit einem 11:9 entscheiden. Von allen diesen Partien habe ich Bilder. Von Fourlis-Bondar auf Court 9 und Garcia Perez-Rossi auf Court 6 allerdings nur vom Vorbeigehen.

Georgina Garcia PerezGeorgina Garcia PerezJaime FourlisJaime FourlisGeorgina Garcia Perez
Jaime Fourlis (WTA 284) - Georgina Garcia Perez (WTA 215)   6:3 6:3
Bei allem Interesse für die Marathonspielerinnen vom Vortag: Im Schatten hinter der Hecke zu stehen und die eine Spielerin an der Grundlinie nicht zu sehen oder den Sitzplatz auf der Tribüne einzunehmen und in der Sonne dahin zu schmelzen - beide Optionen machten Court 6 nicht gerade attraktiv. So machte ich mich nach zwei Games weiter auf zum Centre Court, wo ich einen Sitzplatz mit der Sonne im Rücken hatte. Letztendlich kamen sowohl Siegerin Fourlis als auch Verlierer Garcia Perez ins Hauptfeld. Sie erbte einen der drei Lucky Loser-Plätze. Dort unterlag Fourlis in der ersten Runde einer anderen Lucky Loserin, nämlich Samsonova. Lucky Loserin Garcia Perez hingegen scheiterte an Qualifikantin Ce im Tie-Break des Entscheidungssatzes.

Fanny StollarElisabetta CocciarettoElisabetta CocciarettoElisabetta CocciarettoFanny StollarFanny StollarElisabetta CocciarettoElisabetta CocciarettoElisabetta Cocciaretto, Fanny StollarFanny StollarFanny StollarFederica RossiFederica RossiElisabetta Cocciaretto, Fausto ScolariElisabetta Cocciaretto, Fausto ScolariFanny StollarFanny Stollar
Elisabetta Cocciaretto (WTA 666) - Fanny Stollar (WTA 10)   6:3 3:6 6:4
Mit der Ansetzung um 18 Uhr und nicht wie für beide gestern um 16 Uhr konnte Cocciaretto sicherlich zufrieden sein. Denn sie hatte deutlich länger gespielt als Stollar, die im Schnelldurchgang in weniger als einer Stunde gewonnen hatte. Stollar hat ein hopp oder top Spiel und da geht es grundsätzlich zügig voran. So war der erste Satz denn auch wenig ansehnlich, weil die 20-jährige Ungarin eine Fehlerorgie mit einigen Gewinnschlägen kombinierte. Das wirkt dann alles doch sehr nach Rich and Beautiful, wenn sie mit ihren langen Wimpern und Fingernägeln und ihren Tennisschuhen im Leopardenlook auf dem Platz steht und die Bälle ins Niemandsland hämmert. Speziell wenn sie dann genervt eine Schnute zieht weil sie keine Bälle trifft. Da scheint mir die Selbstüberzeugung zu gross zu sein. In ihrer Vorstellung hämmert sie Asse und Gewinnschläge nur so auf die andere Seite und das ist für sie das ideale Spiel, welches sie in Reinkultur ausüben möchte. Da nimmt sie die Fehler wohl gar nicht so sehr wahr, weil sie überzeugt ist, dass sie das beinahe in Perfektion umsetzen kann. Mit 6 Assen gegenüber 8 Doppelfehlern und einer Quote von 53% an ersten Aufschlägen war ihre Aufschlagbilanz heute allerdings unbefriedigend. Ich sehe im Doppel ein gewisses Erfolgspotential bei ihr. Dort kann sie - wenn in einer Woche mal alles zusammenpasst - mit starken Aufschlägen und harten Grundlinienschlägen überzeugen, so wie 2018 beim WTA-Turniersieg beim Heimturnier in Budapest zusammen mit Garcia Perez. Aber im Einzel müsste sie wohl mehr dafür tun als einen jungen gutaussehenden Trainer zu beschäftigen, bei dem sie es wohl schafft Nein zu sagen dort wo sie nicht will. Den Rat vor Beginn des zweiten Satzes - der durchaus etwas an rote Couch erinnerte - schein sie aber umzusetzen. Ihr Trainer muss ihr gesagt haben, dass sie doch wenigstens einige Ballwechsel spielen solle und nicht gleich alles mit dem ersten Schlag direkt verhauen oder versenken soll. Und vor allem hat er ihr wohl gut zugeredet und eine Schmerztabelle in die Hand gedrückt (Bilder 14-16).
Ab dem zweiten Satz gab es nun also Ballwechsel und ein richtiges Tennisspiel zu sehen. Von der Schlaghärte war Stollar Cocciaretto etwas überlegen und wenn Stollar ihre Fehlerquote im Griff hatte, wurde es für die 18-jährige Italienerin schwer um zu punkten. Gegen Ende des zweiten Satzes verliess Cocciaretto dann etwas die Energie und auch zu Beginn des dritten Satz war die Situation kritisch. Doch das Publikum, das bereits am ersten Qualifikationstag zwar zahlreich erschienen - aber für sizilianische Verhältnisse sehr zurückhaltend war - machte nun besser mit. Cocciaretto versetzte sich einen neuen Energieschub und hatte sich bereits wie am Vortag in allen Sätzen jeweils um den Spielstand von 4:3 herum von ihrem Trainer beraten lassen. Als sie bei 3:4 beim Abklatschen mit ihrem Trainer diesem fast die Hand abschlug, wusste ich dass sie auf der Zielgeraden nochmals alles hineinlegen würde. Er hatte ihr wohl geraten, dass sie aus den sehr langen Ballwechseln heraus versuchen sollte Gewinnschläge anzubringen. Das war sehr riskant und zu Beginn des Spiel eher nicht die Marschrichtung gewesen, denn Stollar liebt es wenn schnell gespielt wird. Doch Cocciaretto bewältigte mit ihrem grossen Herzen auch diese Aufgabe erfolgreich. Denn sie ist zwar eine Sandplatzspielerin, aber sie kann auch durchaus auf beiden Seiten sehr hart und flach schlagen. Ah, da komme ich ins Schwärmen. Mit Leistungen dieser Art hatte mich früher Tamira Paszek verzückt. Doch das von der 29-jährigen Österreicherin als letzter Versuch angekündigte Comeback für diesen Sommer ist bereits im Ansatz versandet. Die Schläge der Elisabetta Cocciaretto, die Rückhand und die ballende Faust die sie am Körper vor sich herunterzieht, da geht mir das Tennisherz auf. Wenn die Energie da ist bei der Italienerin so in den letzten Minuten dieser Partie, dann spricht sie zwischen den Ballwechseln vor sich hin und daraus ist unzählige Male das Wort "Forza" zu entnehmen.
Stollar rutschte als eine von drei Lucky Loserinnen dennoch ins Hauptfeld nach und dank dem Sieg über Wild Card-Spielerin Errani kam sie im Turnier letztendlich weiter als ihre Bezwingerin Cocciaretto.

Fausto Scolari, Elisabetta CocciarettoViktoria Kuzmova, Elisabetta CocciarettoViktoria KuzmovaViktoria KuzmovaViktoria Kuzmova
Viktoria Kuzmova (WTA 49) - Elisabetta Cocciaretto (WTA 507)   6:4 3:6 6:3
Mit der erfolgreichen Qualifikation durfte Cocciaretto zum zweiten Mal in einem WTA-Hauptfeld teilnehmen. In Rom im Mai hatte sie eine Wild Card erhalten. Dort war sie in der ersten Runde an der um sieben Monate jüngeren Anisimova mit 3:6 3:6 gescheitert. Das Resultat ist bei einem Vergleich solch junger Spielerinnen immer schwer zu interpretieren. Allerdings spielte sich Anisimova beim nächsten Turnier in Roland Garros bis in das Halbfinal, was doch einen grossen Leistungsausweis darstellt.
In Palermo blieb der erste Sieg im WTA Hauptfeld aus für die 18-jährige Italienerin. Die Organisatoren halfen richtigerweise mit bei der Ansetzung. Ihre erste Qualifikationsrunde hatte sie noch um 16 Uhr bestreiten müssen. Die zweite Qualifikationsrunde hatte um 18 Uhr begonnen. Nach diesen beiden anstrengenden Partien gab es einen Tag Pause am Montag. Die erste Runde im Hauptfeld war als drittes Match auf Court 6 ab 16 Uhr angesetzt, also um ca. 20 Uhr. Das sind dann doch deutliche Unterschiede von der körperlichen Belastung durch die Hitze. Andererseits kann aber auch mit dem Publikum argumentiert werden. Die Organisatoren wollten dem Publikum etwas bieten und dieses ist am Abend zahlreicher anwesend und möchte gerne die aufstrebende Einheimische sehen.
Gegen Kuzmova ging Cocciaretto durchwegs auf Tempo um gegen die hart schlagende 21-jährige Slowakin dagegenzuhalten. Ziel wäre gewesen sie zu bewegen und ausser Position zu bringen. Doch auch wenn Kuzmova nur noch mit Not an den Ball gelangte, so spielte sie diesen zumeist weiter sehr hart und kontrolliert. Von diesem Plan wich Cocciaretto auch im Spielverlauf und nach dem On Court-Coachings nicht ab. Ich hätte gerne gesehen wie Kuzmova auf Slicebälle, Stoppbälle oder hohe Topspinbälle ihrer Gegnerin reagiert hätte. Wobei sich aus dem Spiel hin und wieder stehende Bälle ergaben aus der Defensive Cocciarettos, die Kuzmova oft mit einem sehr starken Winkel sicher verwertete oder zumindest den Punkt weiter in ihre Richtung lenkte.

Federica RossiFederica RossiDaria Gavrilova, Shuai PengElisabetta Cocciaretto, Federica RossiFederica Rossi, Elisabetta CocciarettoDaria Gavrilova, Shuai PengElisabetta CocciarettoFederica RossiShuai Peng, Daria Gavrilova
Daria Gavrilova/Shuai Peng (WTA Doppel 121/123) - Elisabetta Cocciaretto/Federica Rossi (WTA Doppel 433/687)   6:7 6:1 10-3
Die mit einer Wild Card ausgestatteten Italienerinnen konnten als Juniorinnen gute Resultate erzielen. Rossi erreichte bei den Australian Open 2018 zusammen mit Daria Frayman aus Russland das Halbfinal. Cocciaretto stand ein Jahr zuvor im Einzel der Australian Open 2017 im Halbfinal. An der Junioren-EM in Klosters 2018 holten sich Cocciaretto/Rossi im Doppel die Goldmedaille.
Gegen die renommierten Gegnerinnen schnappten sich die Einheimischen den ersten Satz. Mit 0:5 waren sie im Tie-Break zurückgelegen. Mit zwei Aufschlägen von Rossi verkürzten sie auf 2:5. Dann stand es 3:5 und bei 3:6 hatten sie drei Satzbälle gegen sich. Doch fünf Punkte später hatten sie sich den ersten Satz mit 8:6 im Tie-Break ergattert. Danach entwickelten sich die Resultate einseitig zu Gunsten ihrer Gegnerinnen.
Shuai Peng durfte im letzten Herbst für drei Monate keine Turniere bestreiten. Die Sperre belief sich auf sechs Monate, aber nur drei davon waren bedingt ausgesprochen worden. Das Urteil betraf einen Manipulationsfall im Vorfeld des Wimbledonturniers. Peng habe ihrer Doppelpartnerin nach Meldeschluss Geld geboten, damit diese sich zurückziehe und sich Peng mit einer anderen Partnerin einschreiben könne. Die Klassierung der ehemaligen Weltranglistenersten im Doppel und Weltranglistenvierzehnten im Einzel ist aber nicht nur deswegen bis unter die Top 100 gefallen. Der zweimaligen Grand Slam-Siegerin im Doppel setzt mit 33 Jahren wohl das Alter zu, wobei sie bereits in den vergangenen Jahren verletzungsanfällig gewesen war. In den Jahren 2015, 2016 und 2018 hatte sie das Jahr jeweils ausserhalb der besten 100 Plätze in der Einzelweltrangliste beendet.

 

 Einzel Qualifikation  Einzel Hauptfeld
 1. Runde Qualifikation  2. Runde Qualifikation  1. Runde  2. Runde
 Elisabetta Cocciaretto (W) -
 Conny Perrin (3)
 3:6 6:3 7:6
 Elisabetta Cocciaretto (W) -
 Fanny Stollar (9)
 6:3 3:6 6:4
 Viktoria Kuzmova (3) -
 Elisabetta Cocciaretto (Q)
 6:4 3:6 6:3
 Arantxa Rus -
 Viktoria Kuzmova (3)
 6:4 6:4
 Fanny Stollar (9) -
 Cristiana Ferrando
 6:1 6:2
 Fanny Stollar (L) -
 Sara Errani (W)
 6:1 3:6 6:4
 Paula Badosa -
 Fanny Stollar (L)
 6:1 6:3
 Jaimee Fourlis -
 Anna Bondar (5)
 7:5 4:6 7:6
 Jaimee Fourlis -
 Georgina Garcia Perez (7)
 6:3 6:3
 Liudmila Samsonova (L) -
 Jaimee Fourlis (Q)
 6:3 6:4
 
 Georgina Garcia Perez (7) -
 Federica Rossi (W)
 6:0 5:7 7:5
 Gabriela Ce (Q) -
 Georgina Garcia Perez (L)
 6:4 1:6 7:6
 

 

 Doppel
 1. Runde  Viertelfinal  Halbfinal
 Gavrilova/Peng (3) -
 Dinu/Bogdan
 6:7 6:4 10-8
 Gavrilova/Peng (3) -
 Cocciaretto/Rossi (W)
 6:7 6:1 10-3
 Voracova/Lister (1) -
 Gavrilova/Peng (3)
 7:6 3:6 10-6
 Cocciaretto/Rossi (W) -
 Gatto-Monticone/Di Giuseppe
 w.o.

 

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