USA Florida 2010 |
zurück zur Übersicht Last updated: 30.01.2023 |
IMG Bollettieri Tennis Academy - 13.-15. Dezember 2010 |
Kein Tenniscoach der Welt habe mehr Nummern 1 der Welt gehabt als Nick Bollettieri. Nämlich 10 Stück. Unter anderem Agassi, Courier, Seles und Sharapova. Das machte ihn und seine Academy weltberühmt. Man ist auch stolz darauf, dass eine Tennislektion beim Meister höchstpersönlich die teuerste der Welt sei. 900$ kosten 45 Minuten. Da spielt man dann mit einem Sparringpartner und Herr Bollettieri steht daneben und schaut sich das Ganze an. Ich hatte selbstverständlich keine Lektionen bei Herrn Bollettieri, sondern nahm für drei Tage am Adult Tennis Training teil.
IMG Bollettieri Tennis Academy
Unser Coach Roger, der als Junior ein Zimmer mit
dem aktuellen Federer-Coach Paul Annacone geteilt hatte, arbeitet seit immer und
ewig in der Bollettieri Tennis Academy. Als Junior hatte er bereits die Academy
besucht. Er vermittelte uns seine Tipps oft mit "Mister Bollettieri says that"
oder "Mister Bollettieri wants you to". Das klang auf Anhieb sehr ungewohnt,
fast schon wie in einer Sekte. Aber genau deswegen war ich ja eigentlich auch
da. Und praktisch alles, was er sagte, machte auch wirklich Sinn.
Das waren alles wirklich nette Kerle in der Academy.
Ich hatte immer gedacht, da geht es zu wie im Drillcamp. Aber sogar Herr
Bollettieri scheint mir ein umgänglicher Zeitgenosse zu sein. Jeden Tag stand der
79-jährige morgens um acht bereits beim Coaching auf dem Platz, wenn unsere
Lektion nebenan begann. Einmal hat er uns sogar die Hand geschüttelt und
gefragt, ob alles in Ordnung sei. Mittlerweile ist er zum achten Mal
verheiratet. Aber er scheint nicht so viel Zeit zu Hause zu verbringen.
Leider waren ausgerechnet die drei Tage an der Academy
mit 10-15 Grad (Bild 1) die wettertechnisch schlechtesten meiner zwei Wochen in
Florida. Von acht bis zehn Uhr morgens durften wir vom Erwachsenenkurs aber
jeweils einen der nur vier Hallenplätze auf Campus haben. Vor allem am Montag
war es sehr windig. Danach war das Wetter in Ordnung.
Die Academy ist durch ihren hohen Bekanntheitsgrad sehr
international ausgerichtet. Es fand das Little Mo-Turnier statt. Ein offenes
Turnier für jede Altersklasse von 8-11 Jahren. Daran nehmen Kinder aus der
Academy, aber auch von auswärts teil. An den Ländertafeln (Bild 4) sieht man,
wie global das Ganze wirklich ist.
IMG Academies
Die Marketingfirma IMG hat die Bollettieri Tennis
Academy übernommen und ausgebaut. Deshalb sind Spielerinnen wie Sharapova nach
der Bollettieri Academy auch bereits mit einem "Modelvertrag" von IMG
ausgerüstet. Die IMG Academies bieten in Bradenton neben Tennis auch folgende
Sportarten an: Basketball, Golf, Performance, Soccer, Madden Football, Baseball
und Lacrosse.
Vorhand vs Nadal (~2MB) | Rückhand vs Tsonga (~2MB) | Aufschlag vs Söderling (~2MB) | V-Volley vs Henin (~2MB) | R-Volley vs Federer (~1MB) |
Video
Analyse |
Für mich als Linkshänder habe ich folgendes mitgenommen:
Antizipation: Vor den Grundschlägen den Schläger zurücknehmen, bevor der Ball auf der eigenen Seite aufspringt.
Grundschläge: Beim Schläger zurücknehmen sieht man von vorne den unteren Teil des Griffs (siehe Ausholbewegung 5). Nach dem Schlag sieht man ihn wieder (siehe Ausschwingen 5). Nach dem Schlag bei der beidhändigen Rückhand die rechte Hand loslassen. Bei der Vorhand den Schläger mit der rechten Hand auffangen.
Rückhand: Vor dem Schlag den linken Fuss nach vorne stellen und nicht nach rechts stellen. Nach dem Schlag den rechten Fuss nach rechts vorne stellen und nicht hinten lassen. Kleine Schritte machen, dann stehe ich auch richtig. Den Schlag durchschwingen.
Vorhand: Beim Schlag das Gewicht auf dem linken Fuss haben (open stands). Für mich mache ich folgendes: Ich starte rechts, nehme nun aber mit dem Schlag den linken Fuss mit.
Angriffsball: Beim Angriffsball weiter vorne im Platz nicht mehr so weit ausholen (siehe Ausholbewegung 2). Kleine Ausholbewegung, kleine Probleme. Grosse Ausholbewegung, grosse Probleme.
Volley: Ausgangsposition wie Boxer. Spreizschritt (split step) kurz bevor der Gegner den Ball schlägt. Beim Schlag den Schläger auf gleicher Höhe führen und nie unter die Netzkante herunternehmen. Volley spielen ist wie den Ball fangen.
Volley: Wenn hoher Ball, dann hoch zurückspielen. Wenn tiefer Ball, dann tief zurückspielen.
Volley: Ersten Volley auf der Servicelinie lang zurückspielen. Volley am Netz mit Winkel spielen.
Smash: Mit der Hand auf den Ball zeigen. Schön durchschwingen und nicht herunterreissen.
Smash: Wenn kurzer Lob, dann Winkel spielen. Wenn langer Lob, dann lang spielen.
Service: Vor dem Ballwurf den Kopf hoch nehmen.
Generell: Die Höhe gibt die Länge vor. Der Spin gibt die Kontrolle.
Das Bollettieri-Prinzip besteht neben der Antizipation aus folgendem Zonen-Schema:
Zonen 1-5: Er teilt das Spielfeld in fünf Zonen ein. Zone 1 am Netz (Volley). Zone 2 auf der Servicelinie (Angriffsball). Zone 3 etwas vor der Grundlinie (aggressiver Grundlinenschlag). Zone 4 an oder etwas hinter der Grundlinie (neutraler Grundlinenschlag). Zone 5 weit hinter der Grundlinie (defensiver Grundlinenschlag).
Ausholbewegung 1-5: Auch die Ausholbewegung wird abgestuft. 1 ist keine Ausholbewegung. 5 ist eine volle Ausholbewegung.
Ausschwingen: Die Länge des Schwungs nach dem Schlag kann man ebenfalls von 1-5 einteilen. Wobei man immer voll ausschwingen soll. Also 5.
Höhe: Die Höhe mit der der Ball über das Netz gespielt wird von 1-5: 1 bedeutet 1 Fuss (ca. 30cm). 2 bedeutet 2 Fuss über das Netz. 5 bedeutet 5 Fuss über das Netz.
Kombination:
- 1: Spielt man einen Ball in Zone 1, ist die Ausholbewegung 1. Das
Ausschwingen ist 5. Der Ball geht mit Höhe 1 über das Netz.
- 2: Spielt man einen Ball in Zone 2, ist die Ausholbewegung 2. Das
Ausschwingen ist 5. Der Ball geht mit Höhe 2 über das Netz.
- 3: Spielt man einen Ball in Zone 3, ist die Ausholbewegung 3. Das
Ausschwingen ist 5. Der Ball geht mit Höhe 3 über das Netz.
- 4: Spielt man einen Ball in Zone 4, ist die Ausholbewegung 4. Das
Ausschwingen ist 5. Der Ball geht mit Höhe 4 über das Netz.
- 5: Spielt man einen Ball in Zone 5, ist die Ausholbewegung 5. Das
Ausschwingen ist 5. Der Ball geht mit Höhe 5 über das Netz.
Grüne/gelbe/rote Bälle: Dann gibt es noch die (bekannte) Aufteilung in leichte=grüne, mittlere=gelbe und schwere=rote Bälle, die ebenfalls die eigene Taktik bestimmen.
Offener Stand (Füsse parallel nebeneinander): Bei hohen Bällen, schnellen Bällen, weiten Bällen oder beim Return. Also immer, wenn man wenig Zeit hat.
Neutraler Stand (Füsse parallel hintereinander): Bei kurzen Bällen oder langsamen Bällen.
Folgende Tennisprofis waren bei meinem Besuch vor Ort in der IMG Bollettieri Tennis Academy:
Maria Sharapova: Sie trainierte immer etwas abgeschottet auf dem hintersten Platz in der Halle. Am Mittwoch hatte Stacy, eine Teilnehmerin in unserem Kurs, ihre Jacke auf dem hintersten Hallenplatz vergessen. Als sie die Jacke holen wollte, spielte Sharapova auf dem Platz. Erst wollten sie die Betreuer nicht durchlassen. Doch dann durfte sie ihre Jacke trotzdem holen.
Xavier Malisse: Ihn hatten wir in unserer Mittagspause am Montag in der Halle gesehen. Am Dienstagmorgen war er eine Stunde lang auf dem Hallenplatz neben uns. Doch in all dieser Zeit habe ich ihn keinen Ball schlagen sehen!? Er spielte nur etwas Fussball mit seinen Kumpels und machte Aufwärmübungen. Dafür bräuchte man meiner Meinung nach aber keinen Tennisplatz. Vor allem nicht einen der gemäss unserem Coach Roger "einzigen vier Hallenplätze in ganz Florida". Jedenfalls schaute mir Malisse immerhin etwas beim Training zu!?
Kei Nishikori: Der neue Coach von Nishikori ist Brad Gilbert. Der ass immer alleine zu Mittag. Wir wollten uns schon fast zu ihm setzen... Am Dienstag fragte er unseren Trainer, ob er unseren Hallenplatz etwas früher haben kann. Dann standen Nishikori und Gilbert doch tatsächlich zehn Minuten neben dem Netz auf unserem Platz und schauten uns beim spielen zu. Wir hörten dann etwas früher auf und spielten draussen auf American Clay weiter.
Sabine Lisicki: Sie kam am Montag nach uns auf den Hallenplatz. Am Mittwochmorgen spielte in der Halle auf dem übernächsten Platz und stand am Nachmittag nochmals auf dem Platz.
Ellen Allgurin: Am Montag nahm sie die teuerste Tennislektion der Welt bei Nick Bollettieri. Am Dienstag trainierte sie draussen mit einem Junior. Nach ihrem Sieg im Trainingsmatch sprach ich sie kurz an. Ich kündigte Roland und mich für das Fed Cup-Match im Februar in Helsingborg an. Sie ist 16 Jahre alt und erklärte mir ihre aktuelle Planung: Bis zum Ende der Woche bleibe sie in der Academy. Danach gehe sie zum Training nach Kalifornien. Weiter gehe es mit Junioren-Turnieren auf Hartplatz in Mexiko und Costa Rica. Danach spiele sie die Juniorenkonkurrenz der Australian Open. Das ist schon beeindruckend, wenn man so etwas hört.
Heather Watson: Einmal durfte ich gegen einen Junior spielen. Der war aber nicht gut und deshalb habe ich ihn geschlagen. Neben uns trainierte dabei Heather Watson. Ich hätte sie nicht erkannt, aber mein Gegner Jordan hat mich darauf aufmerksam gemacht. Sie ist die Junioren-US Open-Siegerin des Jahres 2009. Das wusste ich dann wieder.
Wir lernten auch Aufwärmübungen, die antiquiert aussehen,
aber anscheinend wirken. Bei einer geht oder hüpft man wie ein Kranich über den
Platz. Eine andere war tatsächlich der Hampelmann. Ich kann mich erinnern, dass
ich Sharapova auch schon so komische Übungen habe machen sehen. Nun frage ich
mich aber, warum alle der Stars der IMG Bollettieri Tennis Academy Sorgenkinder
in Sachen Langzeitverletzungen sind. Sharapova, Malisse, Lisicki, Nishikori, die
können alle ein Lied davon singen...
Empfohlen wird einem auch durch die Nase einzuatmen und mit dem Schlag stark
durch den Mund auszuatmen. Bei diesem "stark" wundere ich mich natürlich nicht
mehr, woher das Stöhnen entsteht.
Shadowing (Schatten spielen): Beim Gruppentraining können
nicht alle Teilnehmer den Ball spielen. Deshalb sollen die Spieler ohne Ball
hinter demjenigen mit dem Ball stehen und die Bewegungen nachahmen. So
bleibt man in Bewegung und kann etwas vom Vordermann lernen.
Bei 16 Personen funktioniert das Shadowing aus Platzgründen natürlich nicht
mehr. Aber am Montag waren tatsächlich 16 Junioren in zwei Achterreihen auf
einem einzigen Hallenplatz und schlugen nacheinander Grundlinienbälle. Stellt euch
das einmal in eurem Tennisclub vor. Das wäre ein heilloses Durcheinander. Hier
waren alle fleissig am Arbeiten.
Eine Viertelstunde Mentaltraining bekamen wir auch verabreicht: Vor dem Aufschlag und Return soll man Routinen bilden. Dann läuft das Ganze in drei Phasen ab: Release (gespielten Punkt vergessen, entspannen), Plan (Überlegungen zum nächsten Punkt) und Refocus (wieder konzentrieren). Wahrlich keine Zauberei. Aber es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken. Meine Routine besteht dabei, dass ich vor dem Aufschlag überlege, wo ich hinservieren will und mich dann darauf konzentriere und ein bisschen den Ball prelle. Beim Return versuche ich entweder herauszukriegen, wohin mein Gegner hinservieren will und/oder ich überlege mir, wohin ich meinen Return spiele. Viel mehr muss es gar nicht sein.
In drei Tagen haben wir keinen einzigen Slice geübt. Vielleicht wäre das ja irgendwann zwischen Donnerstag und Samstag noch gekommen, da an jedem halben Tag der Fokus auf ein anderes Gebiet gelegt wurde. Dafür haben wir das "Ring Ring"-Game gespielt. Agassi/Courier seien ja die Könige des "Ring Ring" gewesen. Zwei Spieler sind auf jeder Seite. Die einen spielen einen Angriffsball und kommen ans Netz vor. Dann wird um den Punkt gespielt. Nach zwei gewonnenen Punkten müssen die Angreifer jeweils "ring ring" rufen, bevor sie ihren Angriffsball spielen. Gewinnen sie, dürfen sie auf die andere Seite. Die Spieler auf der anderen Seite zählen jeden ihrer Punkte und dürfen diese auch behalten. Bei 14 Punkten rufen sie "Matchball".