Rabble-GrandSlam-Reise nach New York 2005

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Wawrinka, Lammer & Bastl - Schweiz gegen Multikulti-USA

 

Noch im Januar musste Roger Federer bei den Australian Open als einziger Spieler die Schweizer Männerdelegation vertreten. Seit zwei Jahren - dem Rücktritt Marc Rosset's und den langwierigen Verletzungen von Michel Kratochvil - muss der Basler nahezu alleine die Fahne des Schweizer Herrentennis hoch halten. Eine Halbfinalteilnahme im Davis Cup im Jahr 2003 lag für das Schweizer One-Man-Team mit Federer trotzdem drin. Auf dieses Jahr hin konzentrierte sich der Primus des Welttennis aber auf die Verteidigung seiner Nummer 1-Position und liess die erste Runde im Davis Cup sausen. Trotz der Niederlage geht es aber genau seit dieser ersten Davis Cup-Runde gegen Holland, als die Schweizer ohne Federer auf eigenen Beinen stehen mussten, aufwärts. Vor allem dank Stanislas Wawrinka besitzt die Schweiz mittlerweile eine valable Nummer zwei.

Multikulti-USA: In der ersten Runde hatte es Bastl mit einem Afro-Amerikaner, Lammer mit einem asiatisch- und Wawrinka mit einem indisch-stämmigen US-Amerikaner zu tun. Das merkte man auch dem jeweiligen Publikum sehr gut an, das bunt gemischt war.
Und da muss ich die Amerikaner jetzt loben, denn die Spiele waren immer fair, auch bei den Stars auf dem Center Court. Genauso wie das auch in Australien der Fall war. Im Gegensatz dazu sind mir noch die unschönen TV-Bilder vom Mai aus Paris in Erinnerung...

 

1. Runde:   George Bastl (Q) - Scoville Jenkins (W)   6:7 0:6 7:6 6:4 6:7

Nach Wimbledon waren die US Open bereits das zweite Grand Slam-Turnier in Folge, für welches sich George Bastl qualifizieren konnte. Der mit einer Wild Card gestartete 19-jährige Scoville Jenkins ist 11 Jahre jünger und mit Weltranglistenposition 372 mehr als 250 Ränge hinter dem Westschweizer klassiert.

Die Stärken Jenkins' sind offensichtlicherweise sein Aufschlag sowie eine exzellente Vorhand. Dank diesen Starken Angriffsschlägen kam er auch ab und zu nach vorne an Netz.
Bastl seinerseite ist ein Spieler, der den Weg ans Netz sucht. Dank seinem starken Service und dem tiefen Backhandslice ging er sofort in den Angriff über. Gegen einen solch' offensiven Gegner zu spielen, macht jungen Spielern oft Mühe, da sie das nicht gewohnt sind.

Dem Schweizer gelang das frühe Break zur 3:1-Führung, danach musste er allerdings zweimal seinen Aufschlag abgeben. Beim Stand von 3:4 machte mich los zu anderen Plätzen. Und als ich zurück kam stand es doch tatsächlich 6:7 und 0:6 (!). Was war passiert? – Ich weiss es nicht... Denn verletzt schien Bastl nicht zu sein.

Nach dem Verlust des zweiten Satzes nahm Bastl eine (taktische) Toilettenpause. Dieser Schachzug ging auf und der Romand breakte den 19-jaehrigen Amerikaner danach gleich zu Beginn des dritten Satzes. Beide hielten in der Folge ihre Servicegames, bis es Bastl bei 5:4 nicht gelang, den Satz auszuservieren. Doch im anschliessenden Tie-Break konnte sich Bastl klar durchsetzen.

Im vierten Satz gab es wiederum das frühe Break und die 3:0-Führung. Die grössere Erfahrung des 32-jährigen Schweizers schien sich nun doch noch durchzusetzen. Aber wieder brachte Bastl das Ding bei 5:3 nicht nach Hause, konnte danach aber zum 6:4 und somit zum Satzausgleich breaken.
Scoville Jenkins war mittlerweile seinem Spiel untreu geworden. Im ersten und dritten Satz war ich fasziniert von der Vorhand cross, seinem mit Abstand stärksten Schlag. Doch je länger das Spiel dauerte, versuchte er wohl aus taktischen Überlegungen seine Vorhand longline zu spielen. Der Linie entlang hatte diese allerdings niemals die selbe Geschwindigkeit wie cross und war auch etwas ungenauer.

Im entscheidenden fünften Satz gelang Bastl wieder der bessere Start und er führte schnell dank einem Break mit 3:0. Jenkins gelang aber das Re-Break. So langsam begannen die Kräfte beim 30-jährigen Schweizer zu schwinden und er fasst sich öfters an seine Hüfte. Bei 5:4 besass George Bastl bei Aufschlag Jenkins und 15:40 zwei Matchbälle, die er aber nicht nutzen konnte. Und wie es so kommt wenn man seine Chancen nicht nutzen kann: Im Tie-Break unterlag der Schweizer mit 5:7.
Die US Open sind übrigens das einzige (Grand Slam-)Turnier, bei dem der fünfte Satz nicht ausgespielt, sondern im Tie-Break entschieden wird.

Scoville Jenkins durfte seine zweite Runde in der Night Session in der Arthur Ashe Arena gegen Rafael Nadal (2) spielen. Dort zeigte er eine ansprechende Leistung und konnte über weite Teile des Matches gegen den French Open-Champion dagegen halten. Die wichtigen Punkte sicherte sich aber Nadal zum 6:4 7:5 6:4-Sieg.

 

1. Runde:   Michael Lammer (Q) - Kevin Kim   3:6 6:3 7:5 6:4

Vom Ausrüster Lacoste, dem Cap, den Ritualen vor dem Aufschlag wie dem Zupfen am Leibchen und dem an die Mütze fassen, von der Technik her, erinnerte mich Michael Lammer doch sehr stark an Andy Roddick. Vom Spielerischen her kann die Nummer 280 des Rankings natürlich nicht mit dem US Open-Champion von 2003 mithalten. Aber die Erwartungen waren natürlich auch ganz anders.

Zum ersten Mal fand der Schweizer dank seiner im Laufe des Jahres verbesserten Weltranglistenposition gerade so Aufnahme ins Qualifikationstableau der US Open. Dank drei Siegen schaffte er den überraschenden Einzug ins Haupttableau. Unter anderem besiegte der 23-jährige dabei hauchdünn den um über 150 Positionen besser klassierten Tschechen Michal Tabara, der sich bei den letzjährigen US Open erst in der dritten Runde knapp dem Briten Tim Henman in fünf Sätzen hatte geschlagen geben müssen.

Wie schon bei den anderen Schweizern meinte es die Auslosung für das Haupttableau auch mit Michael Lammer gut. Mit Kevin Kim erhielt er zwar die Nummer 71 der Weltrangliste, doch Kim hat sich eigentlich erst seit diesem Jahr unter die besten 100 der Welt vorgearbeitet. Trotzdem war der US-Amerikaner natürlich der Favorit für dieses Match.

Kevin Kim brachte gerade seinen Aufschlag zum 6:3 im ersten Satz durch, als ich auf Court 7 kam. Im zweiten und dritten Satz plätscherte das Spiel so dahin. Deshalb unterhielt ich mich grösstenteils mit einem Schweizer und widmete mich nur nebenbei dem Spielgeschehen. Man merkte dem Spiel schon an, dass da die Nummern 71 und 280 der Welt gegeneinander spielten.
Lammer gelang im zweiten Satz das einzige Break und er holte sich mit 6:3 den Satzausgleich.

Bis zur entscheidenden Phase des dritten Satzes (beziehungsweise der ganzen Partie) gab es keine Aufschlagverluste mehr. Zum Ende des dritten Satzes wurde das Match dann aber so richtig lanciert:
Michael Lammer hatte bei 4:5 mit viel Glück den zweiten Satzball abgewehrt. Da war kein Druck mehr im Spiel, die Bälle wurden nur noch hinüber gespielt. Ich meine, dass ich kein Schweizer Interclub hier, das ist ein Grand Slam-Turnier!? Also bitte spielt so! Deshalb rief ich bei Einstand „mutiger!“ auf das Feld hinunter.
Und siehe da, die nächsten fünf Punkte holte sich der Dübendorfer dank aggressiver Spielweise. Somit hatte er nun also selbst bei 5:5 und 0:40 drei Breakbälle. Diese konnte der 27-jährige Kim allerdings allesamt abwehren. Den vierten Breakball konnte Michael Lammer zu seinen Gunsten entscheiden und holte sich den Satz danach bei eigenem Aufschlag mit 7:5.

Die guten zehn Minuten des Grand Slam-Debütanten hielten an und Kevin Kim beging nun ungewohnte Fehler. So konnte Lammer gleich ein Break zur 1:0-Führung nachlegen. Die Partie flachte danach wieder etwas ab. Und es wäre mir egal gewesen, wenn das so geblieben wäre. Denn das Halten der eigenen Aufschlagspiele hätte dem Dübendorfer zum Sieg gereicht.

Kevin Kim spielte zwar gute Volley, doch er hat klare Defizite in seinem Spiel. So versucht er beispielweise andauernd, seine Rückhand zu umlaufen und ausschliesslich mit seiner starken Vorhand zu agieren. Kriegt er dann doch mal einen Ball auf die Rückhand, so spielt er diesen meistens mit einem "Verlegenheitsslice" zurück.

Doch der US-Amerikaner vermochte sich nochmals zu steigern und breakte zum 3:3 zurück. Michael Lammer gelang aber das erneute Break und er schlug nun bei 5:4 zum Matchgewinn auf. Das war wieder zittrig. Nochmals ein „mutig!“ von mir auf den Platz gerufen und er holte sich die letzten zwei Punkte zum mit Abstand grössten Sieg seiner Karriere.

In der zweiten Runde gegen Dominik Hrbaty (15) aus der Slowakei blieb Michael Lammer beim 1:6 1:6 3:6 chancenlos.

 

 

1. Runde:   Stanislas Wawrinka - Rajeev Ram (W)   2:6 6:4 7:6 6:7 7:5

Eine eigentümliche Taktik: Stanislas Wawrinka spielte abwechselnd mit zwei unterschiedlichen Tennisrackets gegen den Serve & Volley-Spieler Rajeev Ram. Das eine verwendete der Schweizer bei eigenem Aufschlag, das andere beim Return. Dies deshalb, weil er beim Return meistens nur eine Chance zum Passierball hatte, da der 21-jährige US-Amerikaner gleich ans Netz stürmte. Ganz nach indischer Tradition, die immer wieder sehr gute Doppelspieler hervor bringt.

Kurios war das Schlägerwechseln von Wawrinka vor allem in den Tie-Breaks, weil er dort andauernd am Wechseln war. Aber er tat dies mit System. Doch meiner Meinung nach hätte er sich das sparen können, denn er returnierte wirklich grottenschlecht. Ich denke nicht, dass es mit nur einem Racket noch schlechter hätte herauskommen können... Ram griff ihm oft mit einem tiefen Sliceball auf die Rückhand an und Wawrinka konnte dagegen nicht kontern.

Bei 5:4 im zweiten Satz kamen plötzlich viele Schweizer in Richtung des Court 13 geströmt, denn das Federer-Spiel auf dem Center Court war gerade beendet. Wawrinka schaffte zu diesem Zeitpunkt das entscheidende Break gegen den 218. der Weltrangliste zum Satzausgleich.

Stanislas Wawrinka kam zwar beim Returnspiel nicht zurecht, doch er schlug seinerseits stark auf und konnte anschliessend mit seinen Grundlinienschlägen das Spiel bestimmen. So kam es, dass der dritte Satz ohne Breaks in den Tie-Break ging. Dort behielt die schweizerische Nummer 62 der Weltrangliste mit 8:6 die Oberhand.

Zu Beginn des vierten Satzes konnte der Lausanner den Schwung der Satzführung nutzen und ein frühes Break realisieren. Das zog er durch bis zum 5:4 und 40:0, als er drei Matchbälle besass. Schier unfassbarerweise konnte er bei eigenem Aufschlag keinen seiner Matchbälle nutzen und velor anschliessend den vierten Satz noch mit 2:7 im Tie-Break.

Das war auch für George Bastl im Publikum zu viel, wie wir auf Bild 3 sehen können. Ich hatte mir dann auch gleich die Gelegenheit zu Nutze gemacht und mir ein Autogramm von Bastl geholt, dass Ihr weiter oben sehen könnt. Und ihm trotz Niederlage zu seinem Spiel vom Vortag gratuliert: "C'etait le match de la journée".

Und wie bei Bastl ging es auch bei Wawrinka-Ram in den fünften Satz. Sollten die unglücklichen Schweizer Niederlagen anhalten? - Der 20-jährige Wawrinka bekam nochmals die Chance, dass Match zu seinen Gunsten zu entscheiden. Nämlich mit dem Break- bzw. Matchball bei 5:4. Und wieder klappte es nicht... Glücklicherweise folgte bei 6:5 noch ein Breakball, bereits der fünfte Matchball. Und diesen verwertete der Schweizer dann endlich.

Rajeev Ram

 

2. Runde:   Stanislas Wawrinka - Mariano Puerta (10)   3:6 6:4 6:3 6:7 6:1

Es war Revanche angesagt gegen Mariano Puerta. In seinem ersten und bisher erfolgreichsten Grand Slam-Turnier scheiterte Stanislas Wawrinka erst in der dritten Runde am Argentinier, der sich danach bis ins Finale spielen konnte. Auch wenn sich beide auf Sandbeleg am Wohlsten fühlen, so hat doch der Schweizer bei einem Match auf Hardcourt vergleichsweise bessere Chancen als wenn die beiden auf Sand aufeinandertreffen würden.

Als Erstes gleich einmal ein Blick auf die Puerta-Vorhand auf Bild 1 und 2. Ich will ja nicht unken, aber das erinnert mich extrem an Svetlana Kuznetsova's Vorhand.
Wie es für einen Sandplatzspezialisten üblich ist, ist die Vorhand sein stärkster Schlag. Der Unterschied zwischen den beiden Bildern besteht darin, dass er den Ball auf Bild 1 cross und auf Bild 2 longline schlägt. Man erkennt dies an Körperhaltung, der Fussstellung sowie dem Treffpunkt.
Kam der Argentinier ans Netz, so spielte er jedes Mal einen Volleystopp. Ich bekam keinen einzigen "normalen" Volley von ihm zu sehen.

Stanislas Wawrinka sicherte sich im dritten Satz gerade das entscheidende Break zum 5:4 als ich auf Court 7 kam und in der Folge auch die 2:1-Satzführung.

Im vierten Satz holte sich der 20-jährige gleich das frühe Break. Wawrinka hätte bei 4:1 nochmals die Chance zum Break gehabt, als Mariano Puerta nach 40:15 einen Doppelfehler sowie einen Halbvolley-Stopball 2m vom Netz weg spielte, wo sich der Ball aber nicht einen Zentimeter zum Netz hin bewegte und nochmals einen Doppelfehler beging. Diese konnte er aber nicht nutzen. 
Bei 5:3 und Aufschlag des argentinischen Ex-Dopingsünders hatte Wawrinka vier Matchbälle und konnte keinen davon nutzen. Klar ist Puerta ein Linkshänder und hat auf der Vorteilsseite mehr Möglichkeiten beim Service. Aber trotzdem muss der Schweizer einen der Punkte holen. Bild 5 zeigt Wawrinkas typische Reaktion nach vergebenen Chancen.
Und wenn er schon Matchbälle beim Returnspiel vergibt, so muss er zumindest danach seinen eigenen Aufschlag halten, mit dem er das Match immer noch beenden kann. Das tat er aber wie bereits in der ersten Runde gegen Ram nicht und verlor danach auch noch den Tie-Break.

Ich war so sauer, dass ich die Zuschauerränge verliess. Den fünften Satz hat sich Wawrinka dann zwar noch mit 6:1 geholt, aber das geht so nicht. Du kannst nicht an einem Grand Slam-Turnier unzählige Chancen auslassen und dann immer über die volle Distanz gehen.

Nachtrag Dezember 2005: Beim French Open-Final 2005 wurde Mariano Puerta positiv aus das Dopingmittel Etilefrin getestet. Rückwirkend wurden dem 27-jährigen alle Weltranglistenpunkte und Preisgelder seit diesem Zeitpunkt aberkannt und er wurde als Wiederholungstäter nun für acht Jahre gesperrt.

 

3. Runde:   Stanislas Wawrinka - Nicolas Massu   6:4 6:3 6:0

Nachdem Wawrinka den Olympiasieger aus Chile bereits in der zweiten Runde von Roland Garros besiegte hatte, ging der Schweizer gegen den zu Beginn des Jahres lange Zeit verletzt gewesenen Massu als Favorit ins Match. Denn bezüglich Sandplatz und schnelleren Belägen galt gegen Massu das selbe wie gegen Puerta.
Doch Wawrinka musste wohl seinen beiden (unnötigen) Fünfsatzmatches Tribut zollen und hatte eine Verletzung am rechten Fuss zu beklagen. Deshalb blieb er in diesem Match chancenlos.

 

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