Rabble-GrandSlam-Reise nach New York 2005

zurück zur Übersicht         Last updated: 13.11.2005

Andre Agassi - alle Berichte aus der Rabble-Tennisdatenbank
Andre Agassi - Australian Open 2005
Andre Agassi - Den grossen Coup verpasst

 

Er ist 35 Jahre alt und will und will nicht zurücktreten. So scheint es jedenfalls. Trotz mittlerweile wohl schon chronischen Verletzungen an Hüfte und Rücken versucht er bei den grossen Turnieren um Titel mitzuspielen. Die Chancen dazu hat er durchaus, auch wenn sich ganz vorne an der Weltrangliste einige Spieler eingefunden habe, welche in einem Match gegen den US-Amerikaner zu favorisieren sind.

An den US Open hat er seine Chance genutzt. Federer, Hewitt und Safin wurden in die andere Tableauhälfte gelost, wobei der Russe sowieso kurz vor Turnierbeginn aufgrund einer Knieverletzung absagen musste. Nadal und Roddick in Agassis Hälfte scheiterten in den ersten Runden, womit der Weg geebnet war. Denn vor allen anderen Spielern muss er sich nicht zu fürchten.

Einen Monat vor den US Open gewann Andre Agassi in Los Angeles den ersten Titel dieses Jahres. Es war sein insgesamt 50 ATP-Turniersieg im Einzel, was in den Medien für Aufsehen sorgte. Ein Zeichen dafür, dass Andre Agassi noch nicht ans Aufhören denkt, könnte der Dreijahresvertrag sein, den er vor kurzem mit dem Ausrüster Adidas abgeschlossen hat. Wobei hier sicherlich Ausstiegsklauseln vorhanden sind. Es war sehr ungewohnt, den Mann aus Las Vegas neu mit drei Streifen auf dem Rücken spielen zu sehen, nachdem er bisher seine ganze Karriere das Aushängeschild von Nike gewesen war.

 

2. Runde:   Andre Agassi (7) - Ivo Karlovic   7:6 7:6 7:6

Der 2.08m-Hühne überraschte erstmals, als er in Wimbledon 2003 Lleyton Hewitt aus dem Turnier warf. Noch nie zuvor war dort ein Titelverteidiger bereits in der Startrunde gescheitert.

Das Spiel von Ivo Karlovic basiert auf seinem extrem starken Service. Danach sucht er sofort den Weg ans Netz, da seine Grundlinienschläge nicht sehr erfolgversprechend sind. Auch nach dem Return versucht er bei der passenden Gelegenheit ans Netz vorzurücken, da seine Chancen auf einen Punktgewinn dort grösser sind. Mit der Rückhand beispielsweise gelingt ihm von der Grundlinie her nur ein verkorkster Slice, mehr ist da kaum drin.

Ich hatte keine grossen Befürchtungen, dass Agassi in diesem Spiel nicht als Sieger vom Platz gehen würde. Denn bei den Australian Open hatte er sich gegen Joachim Johansson durchgesetzt. Der 198cm grosse Schwede zimmerte Agassi in vier Sätzen 53 Asse hinein, doch das reichte nicht. Und Karlovic ist bei weitem nicht so spielstark wie Johansson.

Mein Timing in diesem Match war ziemlich gut. Ich hatte mir Karlovic bereits in der ersten Runde gegen Mardy Fish angsehen, das Match dann aber schnell wieder verlassen. Sind die Chancen auf Breaks gering, fehlt irgendwie die Spannung. In der Partie zwischen Andre Agassi und dem 26-jährigen Kroaten kam ich jeweils pünktlich zum Satzende ins Arthur Ashe Stadium. Das reichte völlig aus, um die Entscheidungen in diesem Match zu verfolgen.

Im Tie-Break setzt sich normalerweise der stärkere Aufschläger durch, so lautet eine Grundregel. Da Karlovic aber dem besten Returnspieler gegenüber stand und alles ausser seinem Aufschlag ein weit tieferes Niveau hat, behielt in der routinierte Agassi dank einer konzentrierten Leistung die Oberhand.

Im gesamten Match gelang beiden Spielerin je ein Break. Agassi benötigte dazu 11 Breakchancen, welche zumeist durch den Aufschlag Karlovics zu Nichte gemacht wurden. Der 90. der Weltrangliste brauchte lediglich zwei Chancen, um eine davon zu nutzen.

Karlovic schlug 30 Asse und beging 7 Doppelfehler. Sein schnellster Aufschlag betrug 228 km/h. Durchschnittlich lag der erste Aufschlag bei 212 km/h.
Beim US Open-Sieger von 1994 und 1999 waren es 5 Asse und 1 Doppelfehler bei einem schnellsten Aufschlag von 195 km/h und einem durchschnittlichen ersten Service von 154 km/h.

Aber am Meisten sagen die gewonnen Punkte des retournierenden Spielers aus: Andre Agassi gewann 32% der Punkte, wenn der Aufschlagsgigant servierte. Bei Service Agassi konnte der Mann aus Zagreb 23% der gespielten Punkte zu seinen Gunsten entscheiden. Die beiden waren in ihren eigenen Aufschlagspielen also meistens unantastbar.

Auf den Bildern 1 und 3 ist schön zu erkennen, wie gross Ivo Karlovic wirklich ist. Er ist 28cm grösser als sein 180cm messender Gegner Andre Agassi.
Einmal kreuzte Karlovic meinen weg auf dem US Open-Areal. Da muss man den Kopf wirklich 'gen Himmel richten, um zu ihm hoch schauen zu können...

 

3. Runde:   Andre Agassi (7) - Tomas Berdych (32)   3:6 6:1 6:4 7:6

Der 19-jährige Tscheche ist einer der ganz grossen Talente auf der ATP-Tour. Dank den Shootingstars Nadal und Gasquet hat er genügend Zeit, sich ausserhalb des Rampenlichts nach vorne zu arbeiten. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die Tschechen mit Berdych und Vaidisova einmal gemeinsam die Nummer 1-Position in der Weltrangliste bei den Herren und den Damen bekleiden werden. In der Schweiz ist Berdych bisher nur als "der Mann, der Roger Federer bei den Olympischen Spielen in Athen bezwungen hatte" bekannt, aber das wird sich bald ändern.

Gegen Andre Agassi reichte es für Berdych nur für einen Satzgewinn. Im vierten Satz erhielt er dank dem Break zum 5:4 die Chance, das Match zu drehen. Doch der 193cm grosse, starke Aufschläger sein Servicegame gab postwendend zum 5:5 ab. Chance vergeben. Das waren die einzigen Breaks im vierten Satz...

Starker Aufschläger ist bezogen auf seinen schnellsten Aufschlag mit 217 km/h und den durchschnittlichen 198 km/h beim ersten Aufschlag. Doch im gesamten Match erzielte Berdych nur 11 Asse.
Andre Agassi seinerseits schlug deren 15. Mit 208 km/h beim schnellsten und 180 km/h beim durchschnittlichen ersten Service hatte sich der 35-jährige klar gesteigert gegenüber dem Karlovic-Spiel. Das liegt in der Taktik und im Gegner begründet. Gegen den spielstärkeren Tschechen musste er mehr Risiko eingehen. Deshalb lag seine Quote erster Aufschläge im Feld auch nur bei 56%. Gegen Ivo Karlovic konnte er sich eine Marge leisten, da die Returns des Kroaten ja nicht sehr gefährlich waren. Dort lag seine Quote erster Aufschläge im Feld bei hohen 77%.

In diesem Spiel war der einzige Moment während meiner Woche in Flushing Meadows, wo das Publikum unfair wurde. Eigentlich war es ja nur ein einziger Zuschauer in einem fast gefüllten Stadion. Der witzige Kerl rief einmal "Come on, Birdshit" herunter. Lustig.

 

4. Runde:   Andre Agassi (7) - Xavier Malisse   6:3 6:4 6:7 4:6 6:2

Viertelfinale:   Andre Agassi (7) - James Blake   3:6 3:6 6:3 6:3 7:6

Halbfinale:   Andre Agassi (7) - Robbie Ginepri   6:4 5:7 6:3 4:6 6:3

Finale:   Andre Agassi (7) - Roger Federer (1)   3:6 6:2 6:7 1:6

Das Publikum kam dank Andre Agassi voll auf seine Kosten. Erst der Sieg gegen den Hühnen Karlovic, dann die US-amerikanischen Duelle gegen Blake und Ginepri. Hoch anzurechnen ist, dass der 35-jährige Agassi alle drei Fünfsatzmatches gewann, die er zu spielen hatte. Konditionell gehört Agassi zu den Besten.
In einem hocklassigen Finale gegen Roger Federer wurde das Agassi-Märchen beendet. Er hätte es wohl gerne Pete Sampras gleich getan, der 2002 zum Abschluss seiner Karriere den Titel bei den US Open gewinnen konnte. Nota bene dank einem Finalsieg über Andre Agassi... Roger Federers Märchen hingegen geht dank der erfolgreichen Titelverteidigung weiter. Aber Andre Agassi kann man wohl auch trotz der Niederlage bereits als lebende Legende beschreiben.

 

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