Eurovision Song Contest Turin 2022 |
zurück zur Übersicht Last updated: 10.12.2022 |
Eurovision Village 13. Mai 2022 |
Porta Palatina
Bei der Stadtbesichtigung am Donnerstag - nach langem Ausschlafen nach der Disco
in der Nacht zuvor - kam ich wohl an einem der ESC Hotels vorbei. Denn auf den Bildern
6 und 7 waren da plötzlich so viele umtriebige Menschen sowie Autos mit der Werbeaufschrift des
Sponsors TikTok. Es waren in diesem Fall wohl mehr Helfer und Helfershelfer
(Visagisten, Medienleute, etc).
Piazza Castello
Ich hatte mich noch nie richtig mit Turin beschäftigt. Torino ist Fiat. Das
wusste ich. Torino hatte anstelle von Sion die Olympischen Winterspiele 2006
erhalten. Nach Athen 2004 waren dies die zweiten Olympischen Spiele, welche für
mich abschliessend negativ in Erinnerung blieben. Das mag aber auch an mir als
Schweizer gelegen haben.
Wenn jemand Olympische Spiele erhält,
hat das ja auch immer einen Beigeschmack mit welchen Mitteln das bewerkstelligt
wurde. Aber hier in Turin sah ich dass die Stadt eine längere Geschichte hat als
lediglich diejenige, welche mit der Familie Agnelli und Fiat verbunden wäre. Wie
hier beim
Palazzo Reale di Torino und dem Palazzo Madama.
Piazza San Carlo, Citi Zeni (Lettland 2022)
Man kann jetzt nicht alle Social Media Accounts und entsprechenden Stories
verfolgen, bloss um zu erfahren wo gerade welche Künstler unterwegs sind. Aber an Citi
Zeni auf den Bildern 3 und 4 auf der Piazza San Carlo lief ich
unverhofft heran. Deren diesjährigen Beitrag finde ich allerdings nicht so
lustig und cool wie sie es sich wohl gedacht hatten. Anderen Fans ging es wohl gleich
wie mir. Die Letten
waren deshalb am Dienstagabend im Halbfinal ausgeschieden. Es wurden auch gratis Goodies
verteilt. So hielt ich am frühen Nachmittag plötzlich ein Martini-Mixgetränk in der Hand (Bild 5).
Das mit den Frauen beziehungsweise Touristinnen vor Ort in der Stadt des
Eurovision Song Contests ist ja wirklich ganz ungewöhnlich und entspannt. Das
mag mehrere Gründe haben. Einerseits haben alle vor Ort dieselbe Leidenschaft und das bringt
untereinander schon mal sehr gutes Zusammengehörigkeitsgefühl. Andererseits besuchen
diese Veranstaltung wohl 95% Männer, wovon 90% homosexuell sind. Und von den 5%
Frauen sind es wohl ebenfalls die Hälfte. Das heisst die hetero Frauen sind
extrem entspannt, weil sie hier von fast niemandem angemacht werden. Die Zahlen
mögen jetzt sehr plakativ und veranschaulichend sein. Aber wo siehst du sonst
wie auf Bild 6 Männer mit pinken Einkaufstaschen. Und wo quatscht mich sonst wie
auf Bild 7 beim Mittagessen (okay, der Keller hatte mir wirklich zu viel gebracht) die
Dame von einem anderen Tisch einige Meter entfernt einfach an startet ein
Gespräch. Auch tags zuvor in der Disco: Da war die Isländerin auf mich
zugekommen, weil ich alleine da gewesen war.
Senhit (San Marino 2020+2021)
Gestern hatte ich ja gesehen dass es dieses Eurovision Village im Parco del
Valentino gab. Das
Tagesprogramm wurde erst sehr kurzfristig aufgeschaltet. Aber ich wusste dass
ich hier den zweiten Halbfinal am Abend schauen könnte. Der Eintritt war frei.
Gestern hatte sich aber eine lange Schlange vor dem Eingang gebildet. Deswegen
wollte ich genügend früh dort sein.
Bei Senhit hörte ich die Musik von weitem, aber als ich da war, verteilte sie
gerade noch ein paar Werbeartikel. Senhits Lied "Freaky" für den abgesagten Wettbewerb
2020 war schwach. Aber für 2021 hatte sie mit "Adrenalina" einen echten Banger
bereit. Ich schaue mir den Eurovision Song Contest ja üblicherweise immer auf
verschiedenen Kanälen an. Bis vor einigen Jahren immer zuerst mit Peter Urban im
Deutschen Fernsehen. Mittlerweile verfolge ich es aber live auf dem ORF mit Andi
Knoll. Danach die erste Wiederholung auf SRF mit Sven Epiney, der sich über die
letzten Jahre verbessert hat. Und nur noch zum Schluss bei der ARD mit Peter
Urban, weil er viele Informationen, die über Social Media laufen, nicht mehr
mitkriegt. Das mit den Wiederholungen kann sich bei mir übrigens über Tage, Wochen oder
Monate hinziehen. Die bleiben erst einmal gespeichert. Jedenfalls war Senhit
2021 so ein Fall bei dem man sieht wie eine Information eines TV-Kommentators
zum Verständnis beitragen kann. Andi Knoll erwähnte dass es sich beim Rapper auf
der Bühne um Flo-Rida handelte. Das war ein Coup von San Marino oder der
quirligen Senhit, dass sie den amerikanischen Musiksuperstar an Bord holen
konnte. Peter Urban sagte kein Wort davon. Bei Sven Epiney bin ich mir nicht
mehr sicher ob er es im Halbfinal oder Final erzählt hatte.
Rosa Linn (Armenien 2022)
Da war sie schon wieder, die Rosa Linn! Da sie sich auch für das Grand Final
qualifiziert hatte, wurde sie zur einzigen Künstlerin, welche ich an allen drei
Tagen in Turin live sehen würde. Auf den Bildern 8 und 9 bin ich übrigens rechts
hinter dem allergrössten Kerl in schwarz in der zehnten Reihe in hellblau mit
dem Mobiltelefon in der Höhe zu erkennen.
Ronela Hajati (Albanien 2022)
Ich kannte das Programm weder am Mittwoch noch am Donnerstag. Und beides Mal war
die Freude gross dass ich Ronela sehen durfte. Obwohl sie ja bereits am Dienstag
ausgeschieden war. Beim Blick auf die Anzeigetafel fragte ich die junge
Italienerin neben mir ob sie Ronela kenne. Sie verneinte. Aber beim Auftritt
ging sie dann sofort mit und ich sagte am Ende zu ihr: "this is Ronela!".
So eine gute Rückmeldung wie sie vom Publikum erhielt, da kann Ronela Hajati
noch das ganze Jahrzehnt lang auf ESC Parties auftreten und die Fans werden sie
lieben.
Marius Bear (Schweiz 2022)
Marius Bear kam (wie immer) barfuss auf die Bühne. Er spüre die Schwingungen
dadurch besser. Vor allem mit seinem zweiten Song (Film 1 und 2) - dem "nicht
ESC Song" - holte er das Publikum sehr gut ab. Es war eine gute Stimmung und
insgesamt war sie besser als ich das hier live erwartet hatte. Um diese schönen
Momente geht es beim ESC. Das ist nicht das was man am TV am Abend der Show
sieht oder was bei der Punktevergabe passiert. Wenn es zwischen dem Künstler und
Publikum klickt, ich denke das ist das der wahre Lohn nach dem ein Musiker
strebt. Das gab ihm sicherlich auch Auftrieb für den Auftritt im Grand Final.
Loreen (Schweden 2012)
Nachdem einige der aktuellen Künstler aufgetreten waren, kamen als Überraschung
noch einige Sieger vergangener Jahre. Wenn wir eine Abstimmung über den besten
ESC Song aller Zeiten machen würden: Ich bin überzeugt dass Loreen mit "Euphoria"
diese Wahl gewinnen würde. Und so speziell war dann auch mein Hochgefühl diesen
Song mit tausenden anderen Zuschauern erleben zu dürfen.
Duncan Lawrence (Niederlande 2019)
Über das Outfit von Duncan Lawrence lässt sich streiten. Aber singen kann der
Kerl. Und letztendlich war es auch gut für den Eurovision Song Contest dass sein
Siegerlied "Arcade" mit grosser Verzögerung noch zu einem grossen Hit wurde bis
nach Amerika. Ich könnte den ganzen Tag ESC Lieder am Radio hören und ich bin
grundsätzlich sehr böse auf die Radioanstalten, weil sie nie welche spielen. Es wäre so schön wenn der
gemeine ESC Zuschauer den Wettbewerb einschaltet und dann sagen könnte: "Ah,
dieses Lied kenne ich. Das habe ich auch schon einige Male gehört und höre es
sehr gerne."
Im Wettbewerb 2019 wurde das Juryvoting von Nordmazedonien (Tamara Todevska -
"Proud") und das Publikumsvoting von Norwegen (Keiino - "Spirit in the sky")
gewonnen. Kombiniert aber siegten die Niederlande.
Diverse Teilnehmer 1. Halbfinal
Es folgte eine Interviewrunde mit einigen Halbfinalteilnehmern. Diese brachte
aber wenig Mehrwert. Zusätzlich zu den Künstlern, die hier und heute bereits live
aufgetreten waren, waren bei diesem Interview noch zwei im Halbfinal
ausgeschiedene Gruppen mit dabei. Ganz links im weissen Shirt stand Lumix. Der DJ
bildete die eine Hälfte der österreichischen Repräsentation. Sängerin Pia Maria
fehlte heute. Die anderen jungen Künstler bilden die "Schülerband" LPS ("Last
Pizza Slice") und hatten Slowenien vertreten.
Conchita Wurst (Österreich 2014)
Conchita Wurst beantwortete die Frage nach seinem Erscheinen hier in Turin damit
dass die ESC-Woche wie Gay-Christmas sei.
2. Halbfinal
Den zweiten Halbfinal schaute ich mir auf Grossleinwand an. Zusammen mit dem
Inder Kench (Bild 6), der in Turin wohnt und arbeitet. Ich hatte ihn am Getränkestand
getroffen. Ihm habe ich gleich mal alles erklärt zum Eurovision Song Contest von den Wettquoten der
Teilnehmer bis hin zu meinen Einschätzungen. Und bei jedem Auftritt dann natürlich
die Hintergründe und Bewertung und Diskussion über die Persönlichkeit, Gesang,
Musik, Bühnenauftritt, ob es generisch war oder einzigartig und Emotionen
transportierte und wen das nun wie angesprochen hat und warum eine Jury dafür
abstimmen oder Zuschauer dafür anrufen würden. Dennoch versuchte ich mich beim
Crashkurs soweit es meine Begeisterung zuliess zurückzuhalten. Denn da kommt
mir immer ein Tweet von Laura Robson in den Sinn. In 2016 schrieb sie auf
Twitter dass sie ihrer guten Freundin und US-Amerikanerin Madison Keys heute
alles über den Eurovision Song Contest beibringe. Es handelte sich dabei um den Grand Final
am
Samstagabend und am Sonntag hatte Keys doch im Endspiel von Rom gegen Serena Williams
anzutreten! Sie verlor 6:7 3:6.
Geblieben ist mir vom Halbfinal dass das ganze Publikum beim Auftritt
von Serbiens Konstrakta und ihrem Lied "In Corpore Sano" mitklatschte. Und dass ich beim Auftritt
von Nordmazedoniens Andrea mit ihrem Lied "Circles" aless mitsang und mitfühlte,
obwohl ich wusste dass sie es als allerletzte der Wettquoten und wegen zu
schwarzem Staging und etwas gewöhnungsbedürftigen Gesichtsausdrücken nicht in
den
Grand Final schaffen würde. Sie hätte ihre beiden Freundinnen mit auf die Bühne
nehmen sollen, die bei ihr zu Hause im Video zur Eurovision House Party
mitgesungen hatten. Das waren sehr schöne Harmonien gewesen. Letztendlich
scheiterte sie nur ganz knapp mit Rang 11 und war das erste nicht qualifizierte
Land. Die Wettquoten hatten sie auf Rang 18 von 18 gesehen. Mit 76 Punkten war
das mit sehr wenig Budget ausgestattete Nordmazedonien um 20 Punkte hinter dem
auf dem zehnten Platz klassierten und mit sehr grossem Budget operierenden
Aserbaidschan gelandet, welches mit einem wie ich fand generischen und
pathetischen Song eingekauft bei schwedischen Komponisten antrat.
Nachtrag Oktober 2022: Nordmazedonien, Montenegro und Bulgarien werden 2023 nicht am Eurovision Song Contest teilnehmen. Dies vor allem aus finanziellen Gründen. Es schmerzt mich um jedes Land, welches keinen Auftritt mehr innerhalb der ESC-Familie hat. Wenn es um das Finanzielle geht, müsste die EBU meiner Meinung nach bei solchen Ländern auf der Suche nach Lösungen mehr unterstützen.
Po
Die vier Kilometer zurück zum Hotel zu gehen liess sich gut nutzen um etwas
herunterzufahren. Wobei einem in einer ESC-Woche ohnehin die ganze Zeit nur
diese Lieder im Kopf herumschwirren.